Tief im Hochwald - Kriminalroman
den dritten Mitarbeiter von Herrn Engel mit, auf den er erregt einredete. Vanessa ahnte nichts Gutes.
»Wir werden Herrn Engel wahrscheinlich von einem Kollegen von uns ablösen lassen müssen, in ein paar Minuten dürfte da vorn die Hölle los sein.«
Heiner Landscheid kam interessiert näher und warf sich in die Brust, da er anscheinend glaubte, seine Rolle würde in den nächsten Minuten wichtig werden.
»Dieser Mann hier hatte nichts Eiligeres zu tun, als die Tageszeitung anzurufen und ein Interview anzubieten«, erklärte Gunter. »In den nächsten Minuten dürfte es hier vor Presse wimmeln, und der Sarg ist noch nicht einmal in der Erde. Der Pastor sitzt mit den Angehörigen und dem Sarg in der Sakristei und versucht, die armen Leute zu beruhigen. Sie wissen bislang nicht, dass es erneut einen Mord gab, und schon gar nicht, wen es dieses Mal getroffen hat. Die Gemeinde ist in Aufruhr und wüsste gern, wieso Gieselind Jungbluts Beerdigung plötzlich in aller Stille durchgeführt werden sollte.«
»Ich gehe mal nach vorn und kümmere mich um das Tor«, bot Landscheid an.
»Gunter, sei du so lieb und kümmere dich um die Presse«, wies Vanessa ihren Trierer Kollegen an. »Ich kenne die Leute in Hellersberg inzwischen ein bisschen und werde versuchen, mit ihnen zu reden. Außerdem habe ich so einigermaßen im Blick, wer alles in der Kirche war und somit als Täter ausscheidet.«
»Einen Moment, ich kläre noch ganz kurz …« Gunter redete weiter auf den Bestatter namens Wilfried ein und kam danach zu Vanessa herüber, die gerade eine Liste der Personen begonnen hatte, von denen sie mit Sicherheit wusste, dass sie in der Kirche gesessen hatten.
»Also, dieser kluge Totengräber kann definitiv sagen, dass er auf dem Friedhof war, als sich fast alle schon in der Kirche aufgehalten haben. Er hat als Letztes den Organisten gesehen, der noch eine Liedänderung mit dem Chorleiter und dessen Frau abgesprochen hat. Er erinnert sich, dass zuletzt eine Frau mit einem Kinderwagen in die Kirche geschlüpft ist, die ihr Kind zuvor draußen in den Schlaf gestillt hatte. Er selbst sei danach zu seinen Kollegen gegangen«, sagte Gunter.
Die Frau mit dem Kinderwagen war Vanessa auch aufgefallen, aber die schloss sie als Täterin eher aus. Der Täter musste jemand sein, der nicht an der Trauerfeier teilgenommen hatte, was weniger leicht festzustellen war, als wer anwesend gewesen war. Glücklicherweise hatte Familie Jungblut ein Kondolenzbuch am Kircheneingang ausgelegt, in das sich jeder Besucher der Trauerfeier hatte eintragen können, damit es anschließend einfacher wäre, Danksagungskarten an alle zu schicken. Dieses Buch würde Vanessa zusammen mit Heiner Landscheid und sicherlich auch mit dem Sohn oder der Schwiegertochter der verstorbenen Frau Jungblut durchsehen müssen.
Sie entschuldigte sich bei den Umstehenden, die noch immer auf den Zinksarg aus Hermeskeil warteten, und ging in die Sakristei zu Pastor Lämmle und den engsten Angehörigen von Gieselind Jungblut.
»Frau Kommissarin, warum ist draußen so viel Polizei, und warum kann meine Schwiegermutter nicht beerdigt werden?«, schleuderte Maria Jungblut Vanessa schon beim Eintreten entgegen.
Vanessa sah den Pastor an, der nur dezent den Kopf schüttelte. Offenbar hatte er ihnen die wahren Gründe bisher nicht erzählt.
»Mein Mann wird verrückt, wenn seine Mutter noch länger hier neben uns steht und nicht endlich unter der Erde ihre wohlverdiente Ruhe bekommt.«
Nun sah Vanessa Herrn Jungblut an, der mit hochrotem Kopf und an den Schläfen hervortretenden Adern mit den Fäusten auf den Tisch trommelte. Es würde nicht leicht werden, den beiden die wahren Gründe zu offenbaren.
Pastor Lämmle kam Vanessa mit dem zu Hilfe, womit er das Ehepaar bislang vertröstet hatte: »Ich habe Familie Jungblut bereits erzählt, dass die Grube nicht fertig vorbereitet war. Sie sind verständlicherweise verärgert über den Bestatter und sorgen sich vor allem darum, was das Dorf und die Verwandten sagen werden.«
Vanessa setzte sich neben Frau Jungblut und bedeutete dem Pastor per Kopfnicken, sich neben Gieselind Jungbluts aufgebrachten Sohn zu setzen, bevor sie anfing.
»Das Dorf wird vor allem denken, dass Pastor Lämmle einen guten Job gemacht hat. Und der Bestatter auch. Leider hat jemand die Grube zu einem anderen Zweck missbraucht.«
Der Sohn riss entsetzt den Kopf hoch. »Das Grab meiner Mutter?«
»Jemand hat einen anderen Toten dort abgelegt, und wir
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