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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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waren kaum Menschen auf dem weitläufigen Gelände unterwegs. Er ließ sich noch weiter zurückfallen und nahm einen anderen Weg als sie, hielt aber über die große Rasenfläche ständigen Blickkontakt. Als die Entfernung zwischen ihnen am größten war, konnte er sie nur noch als kleine graue Gestalt erkennen, die gemächlich und gebeugt über den nassen Schotterweg schritt.
    Er wählte seinen Weg so, dass sie auf der gegenüberliegenden Seite der Rasenfläche zusammentreffen würden. Mit den Händen in den Taschen, die Rechte um den Griff des Messers geschlossen, schritt er ihr entgegen.
    Was für ein großartiger Augenblick!
    Im diffusen grauen Licht dieses verregneten Nachmittages gingen sie im menschenleeren Park aufeinander zu. Mörder und Opfer. Liebender und Geliebte. Nichts würde die Tat jetzt noch verhindern können. Hier würde nun ihre besondere Beziehung auf eine Art ihr Ende finden, die vorherbestimmt war.
    Er fühlte sich stark, voller Kraft und Leben, und musste sich zügeln, damit er nicht zu laufen begann. Stattdessen
wählte er seine Schrittlänge so, dass sie sich genau am Springbrunnen treffen würden. So waren sie zur Eingangsseite des Parks hin durch den steinernen Aufbau in der Mitte des Brunnens vor Blicken geschützt. Die andere Seite des Weges war von hohen Eiben umgeben.
    Ort und Zeit waren ideal.
    Die Distanz schmolz dahin.
    Schritt um Schritt.
    Die Innenfläche seiner Hand um den Messergriff begann zu schwitzen. Diese Vorfreude war das Schönste, Intensivste, was er je gefühlt hatte. Vom Zusehen damals, als der Vater an der Wunde seines abgekniffenen Penis verblutet war, einmal abgesehen.
    Dreißig Meter.
    Zwanzig.
    Zehn.
    Jetzt hörte sie die knirschenden Schritte, die ihr entgegenkamen. Erschrocken blickte sie auf, sah aber nur eine hochgewachsene, brünette Frau. Vielleicht etwas zu kräftig in den Schultern. Er sah, wie sie ihren Blick schon wieder senken wollte, plötzlich aber im Schritt verharrte und den Kopf hochriss.
    Dann war er bei ihr.
    Kein Meter trennte sie mehr voneinander.
    Sie standen sich gegenüber. Auge in Auge.
    Er sah die Erkenntnis und Überraschung in ihrem Blick.
    »Karel«, flüsterte sie.
    Mit einer schnellen Bewegung stieß er zu. Die lange Klinge des Messers fuhr ihr tief in den Bauch. Sie ertrug den Schmerz ohne Schrei, stöhnte nur leicht auf und klammerte sich an seinen Unterarm.
    »Karel«, flüsterte sie noch einmal.

    Er konnte es nicht ertragen, ihre Stimme zu hören.
    Schnell wirbelte er sie herum, schnitt ihr die Kehle auf und stieß sie über den flachen Rand des Springbrunnens in das brackige, von altem Laub verdunkelte Regenwasser, das sich darin gesammelt hatte und nun von ihrem Blut noch dunkler wurde.
     
    Nele Karminter riss sich mit einer hastigen Bewegung die Perücke vom Kopf.
    »Warum muss das Ding so fies kratzen und jucken?«
    Sie warf den langen Haarschopf in die Ecke. Aus der langhaarigen Brünetten war wieder die kurzhaarige Blonde geworden.
    »Weil es billiges Kunsthaar ist«, sagte Anouschka, kam auf sie zu, umarmte und küsste sie. Dann fuhr sie ihr mit den Fingern durchs Haar.
    Nele schloss die Augen und schnurrte wie eine Katze.
    Sie standen im Eingangsbereich von Neles Wohnung. Für heute war die Schnitzeljagd beendet. Karel Murow hatte sich nicht blicken lassen, und so langsam kam in Nele der Verdacht auf, dass sie sich umsonst die Hacken abliefen.
    Es war später Nachmittag, eigentlich zu früh, um schon aufzuhören, doch beide waren müde, durchgefroren und gefrustet. Anstatt in Anous Wohnung zu gehen, so wie die anderen Abende und Nächte, hatten sie sich für Neles Wohnung entschieden. Es war an der Zeit für einen entspannten Abend, ohne die ständige Angst, dass jeden Moment die Tür auffliegen und Karel Murow hereinplatzen würde.
    Als Anou mit der kurzen Massage aufhörte, öffnete Nele die Augen.
    »Damit machen wir später weiter, wenn ich geduscht habe, ja?!«

    Sie bückte sich, um die Stiefel auszuziehen, da klingelte ihr Handy. Nele verdrehte die Augen, seufzte, holte es aus der Manteltasche und warf einen Blick aufs Display.
    »Hendrik«, sagte sie und sah Anouschka an. »Ich muss rangehen.« Sie nahm das Gespräch entgegen.
    Anouschka wollte sich schon abwenden, um in der Küche einen heißen Tee zuzubereiten, der ihre kalten Füße auftauen würde, da bemerkte sie eine Änderung in Neles Haltung und Stimme. Irgendwas stimmte nicht!
    Nele sagte nicht viel, hörte zu und beendete das Gespräch mit den Worten:

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