Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde
geschehen war, und standen unter Hochspannung. Beide waren dabei gewesen, als Anouschka Rossberg aus den Katakomben von Eibia befreit worden war, und sollte Karel Murow hier auftauchen, würden sie das Schwein gewaltig auseinandernehmen.
Griebert nickte Jantowski zu, der drückte auf die Klingel.
Sie erwarteten, Frau Rossbergs Stimme aus der Gegensprechanlage zu hören, doch nichts geschah.
Jantowski läutete noch mal.
Wieder keine Reaktion.
Sie konnte unter der Dusche stehen oder auf der Toilette sitzen, aber solche privaten Dinge interessierten die beiden Profis nicht. Nicht in einem solchen Moment. Beide drückten sämtliche Klingelknöpfe, zehn an der Zahl, bis der Summer endlich ertönte und sie die Tür aufdrücken konnten.
Der Fahrstuhl stand geöffnet im Erdgeschoss. Griebert sah kurz hinein, drückte die Nottaste und blockierte ihn damit. Ohne ein Wort zu wechseln spurteten die beiden nach oben. Auf jeder der drei Etagen starrte sie ein erschrockenes Gesicht aus einer geöffneten Haustür entgegen.
Griebert rief immer wieder die gleichen Worte.
»Polizei, bleiben Sie in Ihrer Wohnung.«
Oben angekommen sahen sie, dass die Wohnungstür unbeschädigt war. Jantowski drückte auf den Klingelknopf, mehrmals hintereinander. Sie warteten genau fünf Sekunden. Als wieder nichts geschah, nickten sie sich zu.
Griebert zog seine Waffe und ging neben der Tür in Deckung.
Jantowski holte den Schlüssel heraus. Sie hatten einen für Frau Rossbergs Wohnung und einen zu dieser, durften ihn natürlich nur benutzen, wenn Gefahr im Verzug war.
Jantowski schloss auf und warf sich mit der Tür in die Wohnung, so das jemand, der dahinter stand, gegen die Wand gedrückt würde.
»Polizei! Frau Rossberg, ist alles in Ordnung?«, brüllte Griebert und stürmte mit vorgehaltener Waffe in die Wohnung. Jantowski folgte ihm, beide hatten entsichert und waren bereit zu töten.
Schnell hatten sie die Wohnung überprüft.
»Kacke!«, sagte Griebert zu seinem Kollegen und benutzte dann den Minisender in seinem Ohr.
»Eins drei an Eins eins … wir haben ein Problem!«
Jaaaa!
Das war der Duft seiner Träume!
Der Duft der Schönheit, Perfektion und Zärtlichkeit.
Sie trug ihn noch immer an ihrem Körper, so intensiv, als hätte sie ihn gerade aufgetragen. Hatte sie das getan? Hatte sie das Öl benutzt, damit er sie fand?
Er war sich sicher. Sie wollte ihn genau so, wie er sie wollte. Warum sonst kehrte sie erneut zum Bahnhof zurück, wohin er ihr in den letzten Tagen bereits mehrmals gefolgt war? Und heute, da er selbst für Ablenkung gesorgt hatte, schien sie tatsächlich allein zu sein, ohne die sonst allgegenwärtigen Schatten.
Keine zehn Meter entfernt lief sie vor ihm her. Mit ihrem dunklen Haar und der dunklen Hautfarbe stach sie aus der Masse heraus, sie war eine Schönheit in der Herde der Hässlichen, strahlte wie ein Licht, das nur er sehen konnte. Nicht ein einziges Mal hatte sie sich bisher umgesehen. Sie
wusste, dass er da war, brauchte sich nicht davon zu überzeugen, hatte aber auch keine Angst vor ihm.
In seinen Lenden begann ein Feuer zu brennen. Sie würde durch seine Hand sterben, schon bald, mit dem Messer, an dem noch das Blut seiner Mutter haftete. So würde sich das Blut beider Verräterinnen vermischen, und er wäre frei. Danach konnte er gehen, wohin er wollte, und seinen einmal eingeschlagenen Weg fortsetzen.
Er folgte ihr in den Bahnhof. Sie löste am Automaten ein Ticket und sah sich dabei nun doch um. Er machte sich nicht die Mühe, sich zu verstecken. Als sie ihr Ticket hatte, stieg sie die Treppe hinunter, die zu den Gleisen führte. Er hielt Abstand, doch als der Zug einlief, und die Masse in Bewegung geriet, näherte er sich ihr bis auf ein paar Meter, beobachtete sie beim Einsteigen, und erst kurz bevor die Türen sich wieder schlossen, sprang er einen Waggon vor ihr in den Zug.
Er war im Zug!
Sie hatte ihn hineingelockt, nachdem sie sicher gewesen war, dass er ihr zum Bahnhof gefolgt war. Anouschkas Körper stand in Flammen, jede einzelne Faser unter Hochspannung. Ihr Magen war ein schwerer kleiner Klumpen und sie drohte vor Angst zu sterben.
Diese Reaktionen ihres Körpers hatte sie nicht erwartet. Sie war längst nicht so kühl und abgeklärt, wie sie gehofft hatte, ihr Trachten nach Rache hatte ihr längst nicht so viel Kraft verliehen, wie sie sie noch vorhin in der sicheren Wohnung gespürt hatte. Hier draußen war sie ihm schutzlos ausgeliefert. Sie selbst hatte sich
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