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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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gezogenen Kanalbarke, die in einen Tunnel einfährt, verschwand sie im Verteidigungsministerium.
    Sie hatte keine Ahnung, dass sie drinnen von den ersten schwachen Regungen einer Krise erwartet wurde, die bald ihr gesamtes Ministerium umfassen sollte.
    *  *  *
    Im Nordatlantik, nahe dem südlichsten Teil der Dänemarkstraße und zwei Stunden von der tiefsten Stelle im Irminger-Becken entfernt, fuhr ein betagter Chemiefrachter mit einer Geschwindigkeit von zehn Knoten in Richtung Nord-Nordwest. Die See war ruhig, die Witterung gut, aber eiskalt. Sein Ziel lag dreihundert Meilen westlich von der Spitze Grönlands, während sich fünfhundert Meilen in Nord-Ost-Ost die zerklüftete Westküste Islands befand. Die schwimmende Rostlaube hieß Vegas und war eines der beiden Schiffe, die in dem Telefongespräch, das Rattigan mitgehört hatte, erwähnt worden waren.
    Kapitän Isaksson wusste nicht, dass das Schiff über ein weitverzweigtes Netzwerk von Unternehmen in Rattigans Besitz war. Er hatte noch nie von Rattigan gehört und würde auch nie von ihm hören. Er war in Norwegen auf ein Schiff angeheuert worden, das er noch nie zuvor gesehen hatte, und er hoffte inständig, es nie wiedersehen zu müssen. Er konnte ein schlechtes Schiff mit einer guten Besatzung aushalten, und ein gutes Schiff war auch mit einer schlechten Besatzung zu ertragen, aber ein entsetzliches Schiff mit einer entsetzlichen Mannschaft ängstigte ihn zu Tode.
    Der Kapitän lag in seiner heruntergekommenen Kajüte auf dem Bett. In zwei Stunden würde er das Löschen der Ladung überwachen müssen, weil die Vegas sich ihrer Bestimmungsposition näherte. Das machte ihm sogar noch mehr Angst. Er schloss die Augen, wusste aber, dass er doch nicht würde schlafen können. Es ging ihm zu viel durch den Kopf. Es war nicht nur die Ladung, dieses rätselhafte Ding, das sich im Laderaum befand; das Ausmaß der praktischen Probleme machte ihm fast ebenso viel Angst. Der Kreiselkompass funktionierte nicht, hinter der Brücke roch es verbrannt, die Verholwinden waren kaputt, im Abgassystem war ein Leck, eine der Wasserversorgungspumpen im Maschinenraum hatte den Geist aufgegeben, und die andere stand kurz davor. Von seiner mickrigen Crew von sechzehn Leuten lagen vier flach. Sein erster Ingenieur (der einzige kompetente Mann auf dem Schiff) hatte die Amöben-Ruhr. Zwei Matrosen hatten sich nach einer Prügelei gegenseitig in die Krankenstation eingewiesen. Und der dritte Offizier war depressiv und weigerte sich, aus seiner Kabine zu kommen.
    Ein Schiff, das so alt und heruntergekommen war wie die Vegas , brauchte eine äußerst kompetente Mannschaft, Männer, die nicht nur während ihrer Schicht effektiv arbeiteten, sondern in ihrer Freizeit auch kenntnisreich an der Maschine herumbastelten, die ständig kaputtging. Aber der Kapitän hielt nur fünf seiner Leute für einigermaßen adäquat, und zudem hatte er den leisen Verdacht, dass er nicht zu diesen fünf Personen gehörte.
    Das Schiff, das er leitete, entsprach wahrscheinlich seinem Wert als Kapitän. In den 1980er-Jahren hatte er zur ersten Garde der Skipper in Finnland gehört, aber seitdem war es mit seiner Karriere kontinuierlich bergab gegangen. Er bekam immer mehr Probleme, hatte große Schulden, seine Ehe zerbrach – und sein Alkoholkonsum war selbst nach den Maßstäben seiner Landsleute gewaltig. Was tue ich hier nur, dachte er jetzt, in diesem schwimmenden Grab, auf der Fahrt zu einem gottverlassenen Fleck, um dort einen kriminellen Akt zu begehen? Denn dass der Auftrag, den er erhalten hatte, illegal war, daran zweifelte er nicht. Er war schließlich nicht zehnmal besser als üblich bezahlt worden, um den Fischen eine Schachtel Pralinen zu überreichen. Dieses kleine Stück Ozean über dem Irminger-Becken, auf das er zufuhr, diese fünfzehn mal fünfzehn Meilen Wasser, diese 0,000007 Prozent des mächtigen Atlantiks, lagen außerhalb der Reichweite der Handelsschiffe. Soweit er sich erinnern konnte, war das schon immer so gewesen. Jeder wusste über die Atomtests der Briten Bescheid, aber das war lange her; es hieß, es gäbe hier noch ein anderes Geheimnis. Manche behaupteten, es habe etwas mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun, mit unterseeischen Forschungsprojekten oder auch mit einem ungelösten Fischereistreit zwischen Großbritannien und den nördlichen Nationen. Aber was auch immer der Grund ist, dachte er, nie wieder – nie wieder werde ich mir erlauben, so tief zu sinken. Wenn ich diese

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