Tief
unterschiedlicher Spezies, die sich mit einer solchen Wucht auf den Strand warfen, dass die Kieselsteine hochspritzten und wie tödliche Wurfgeschosse wieder zu Boden fielen. Und er sah Menschen sterben. Stumm vor Entsetzen oder laut schreiend, keuchend oder weinend, versuchten sie sich, auf allen vieren oder aufrecht gehend, in Sicherheit zu bringen. Doch einige erreichten den zweiten Hang nicht mehr.
Es ist vorbei, sagte sich Roddy schließlich. Das Meer schlug sanft und rhythmisch gegen den Strand. Dutzende von Walen lagen bewegungslos auf dem Kies, massiv und harmlos wie einsame Monolithen in einer Wüste.
Unnatürliche Stille legte sich über das Entsetzen. Die Gehirne sträubten sich dagegen, das Erlebte zu verarbeiten. Zuschauer, Polizisten, alle standen nur da und starrten auf den Strand. Männer, Frauen, Kinder, die es bis nach oben geschafft hatten, lagen ganz still wie Überlebende eines Schiffsunglücks, die an Land gespült worden sind. Dann schrie ein verletzter Mann, und ein Wal blies. Es war wie ein Signal. Auf einmal bliesen viele Wale, und ihre gewaltigen Atemzüge klangen wie die Rufe archaischer Götter.
Roddy merkte erst, dass Ally seinen Arm gepackt hatte, als sie ihn wieder losließ. Wie viele andere ging auch er über den Kies zu den Walen. Den ersten, an dem er vorbeikam, sah er kaum an. Er musste jetzt mitten unter ihnen sein, und als er dort stand … Es war, als hätte er sich in einem undenkbaren Labyrinth verirrt. Er ging an einem ausgewachsenen Pilotwal vorbei, trat über einen langen, schlanken, sichelförmigen Delphin, bis schließlich ein gewaltiger Finnwal ihm den Weg versperrte – hässlich, unleugbar hässlich, und so voller Muscheln wie der Kiel eines alten Schiffs.
Die Verletzten begannen zu rufen, aber ihre Schreie gingen in dem lauten Jaulen der Sirenen unter, als die Krankenwagen angefahren kamen. Roddy stand immer noch unter Schock. Vielleicht konnte er auch nicht akzeptieren, was passiert war, weil er zu viel über Wale wusste. Und im Hinterkopf meldete sich nagend das Gefühl, etwas übersehen zu haben – was hätte ich tun sollen?, fragte er sich –, aber er konnte es nicht richtig greifen. Ein zermalmter Körper brachte ihn zum Stehen. Nur an den blutdurchtränkten Kleidern konnte man erkennen, welcher Körperteil welcher gewesen war und dass es sich um eine Frau gehandelt hatte. Ein Wal war direkt über sie hinweggerutscht. Er dachte daran, wie er die Freiwilligen vor dem Gewicht des Wals gewarnt hatte – wann war das gewesen? Vor einer Stunde, vor einer Ewigkeit?
Jetzt wimmelte es zwischen den Walen von Menschen, die Ausschau nach Verletzten hielten oder einfach nur glotzten. Roddy ging an einem Graben entlang, der vom Meer direkt zu den Schwanzflossen eines Pottwals führte. Ohne die leiseste Überraschung sah er einen sauberen, v-förmigen Schnitt in einer Flosse. Die Wunde war noch frisch – Blackfins Personalausweis.
»Dr. Ormond – Dr. Ormond!«
Das habe ich gebraucht, dachte Roddy. Ich brauchte jemanden, der mich anspricht, damit ich aus der Erstarrung erwache. Erleichtert hörte er den Klang seiner eigenen Stimme, als er antwortete.
»Man hat mich zu Ihnen geschickt. Ich bin Ihr Verbindungsmann zur Rettungstruppe«, sagte ein junger Polizist. »Natürlich steht die Bergung der Verletzten jetzt an erster Stelle, aber mein Vorgesetzter lässt fragen, ob wir etwas für die Wale tun können.«
»Besorgen Sie Schläuche und sprühen Sie Meerwasser über die Tiere.«
»Ja, ich gebe Bescheid. Aber wahrscheinlich kann das erst passieren, wenn die Verletzten geborgen sind.«
»Ich habe eine tote Frau gesehen«, sagte Roddy. »Dort drüben.«
Der Polizist nickte. Sie blickten sich beide um. Mittlerweile liefen überall Polizisten, Sanitäter und Feuerwehrleute herum, um dieser unvorhergesehenen Situation so gut wie möglich gerecht zu werden. Auch die Zahl der Schaulustigen war angewachsen.
»Diese Leute müssen hier verschwinden«, sagte Roddy.
»Ja, wir sorgen dafür, sobald wir genügend Leute vor Ort haben.«
Immer noch lastete ein schreckliches Gewicht auf Roddy, es wog schwer wie Schuld.
»Sir«, sagte der junge Polizist, »Sir, wie konnte das passieren?« Er machte eine vage Handbewegung, die die gesamte Szenerie umfasste.
»Es konnte gar nicht passieren«, antwortete Roddy.
»Sir«, versuchte der Mann es noch einmal. Er wirkte noch so jung, fast wie ein Pfadfinder. »Ich glaube …«
In diesem Moment hob sich der Schleier der Trance,
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