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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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für Kinder, die im Heim aufgewachsen waren. Er dachte daran, zehn Millionen Pfund zu investieren. Seit Ally ihn »verlassen« hatte, dachte er verstärkt über solche Themen nach.
    Als nach Beendigung des Telefongesprächs klar war, dass South Kensington völlig abgeriegelt war, hatte er seinen Chauffeur beim Auto zurückgelassen. Er selbst hatte sich durch das gemeine Volk zum nächsten Gebäude mit Helikopter-Landeplatz hindurchgedrängt. Dort hatte er sich von einem Hubschrauber abholen und zum Savoy fliegen lassen.
    Erleichtert sank er in einen Sessel, ein Glas Gin in der Hand, und schaltete den Fernseher ein. Das Bild, das erschien, hätte er mit eigenen Augen sehen können, wenn er sich dazu durchgerungen hätte, auf den Balkon zu treten.
    »Und wie ist die Atmosphäre unten am Fluss jetzt?«, fragte ein Moderator.
    »John, von meinem Aussichtspunkt hier oben auf dem Shell-Gebäude blicke ich auf ein Meer von Menschen, die dicht an dicht das Victoria-Ufer bevölkern, auf den Bäumen und in den Streben der Brücke sitzen. Weit unter mir finden auf einem Restaurantschiff und an der privaten Anlegestelle des Savoy Hotels exklusive Partys statt, und die Menschen prosten den Walen, die nur wenige Meter von ihnen entfernt sind, zu – es ist surreal, außergewöhnlich und undenkbar.«
    »Haben Sie Dr. Derek Petersen oder sonst einen Verantwortlichen von der letzten Walkrise gesehen?«
    »Nein, niemanden. Gestern hieß es, Dr. Petersen stehe unter Stress, aber das war vor der neuesten Entwicklung. Das Wal-Krisenkoordinationsteam scheint sich aufgelöst zu haben.«
    »Berichten Sie uns doch einmal über die Wale …«
    »Ja.«
    »Wir bekommen hier zwar die Bilder, aber wie fühlt es sich an, die Tiere mit eigenen Augen zu sehen?«
    »Mit Worten kann man das nicht wiedergeben. Die Polizei hat den gesamten Flussabschnitt mit Scheinwerfern angestrahlt, und wie Sie sehen, schwimmen die Wale langsam in der Mitte herum. Es sind zweihundertvierundvierzig große, anmutige Tiere mit dieser schönen Schwarz-Weiß-Zeichnung. Unter den beiden Brücken haben Polizeiboote Stellung bezogen, die Schaulustige auf Booten oder Schiffen fernhalten. Das Ganze wirkt – ganz gleich, wie oft ich es wiederhole, es wird dadurch nicht weniger unglaublich – wie eine offene Arena voller Killerwale, von denen ich und eine Million anderer Menschen nicht den Blick abwenden können.«
    »Haben Sie eine Ahnung, was die Wale vorhaben?«
    »Es sind hier alle möglichen Dinge diskutiert worden, von so lächerlichen Vorschlägen, dass die Wale kehrtmachen und wieder ins Meer zurückschwimmen, bis hin zu Warnungen, sie könnten eine Attacke auf das Parlament planen –«
    »Um Gottes willen!«
    »– aber im Grunde weiß niemand, was sie als Nächstes tun werden.«
    »Nun, danke, Ian. Das war Ian Hudson vom Shell-Gebäude an der Themse. Und jetzt schalten wir zu …«
    Grunzend stand Rattigan auf. Er trank seinen Gin aus und öffnete die Tür zu seinem Balkon, um auf seine eigene, private Aussichtsplattform zu treten.
    *  *  *
    Als Big Ben Mitternacht schlug, konnte niemand ahnen, dass sich das Ereignis seinem Höhepunkt näherte. Apu klammerte sich von außen an das Brückengeländer, und unter ihm floss schwarz und schweigend der Fluss.
    »Sie bewegen sich!«, rief der Mann neben Apu.
    Die Menschen auf der Brücke und an den Ufern begannen zu schreien. Die Wale schwammen immer schneller im Kreis, tauchten die Köpfe ins Wasser und kamen dann wieder hoch. Alle Sender brachen die Studiodiskussionen ab und schalteten auf Live-Übertragung. Big Ben schlug achtmal, neunmal, zehnmal.
    Apu hing hoch über dem Fluss und beobachtete die Szene mit offenem Mund. Die Bewegungen der Wale wurden immer heftiger, und das schwarze Wasser schäumte um sie herum. Sie schienen sich nicht nach einem bestimmten Muster zu bewegen, schwammen jedoch so schnell, dass es unglaublich war, dass sie sich nicht gegenseitig rammten.
    Beim zwölften Schlag um Mitternacht hörten die Wale auf zu schwimmen und kamen zu einem großen Klumpen zusammen. Und dann taten sie etwas, womit niemand – nicht die Schaulustigen, nicht die Experten in den Studios, nicht die Polizei – gerechnet hatte. Sie riefen.
    Es ertönte ein hohes, unheimliches Kreischen, das greifbar in der Atmosphäre hing, als ob tausend Personen gleichzeitig mit den Fingernägeln über Schiefertafeln kratzen würden. Der schrille Ton drang nur für ein oder zwei Sekunden hörbar ins Ohr, aber in den umliegenden

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