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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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Gebäuden barsten Fensterscheiben wegen der besonderen Frequenz, jede Auto-Alarmanlage im Umkreis von einem halben Kilometer ging los, und ganz London begann zu schreien.
    Hunderte von Metern den Fluss entlang klirrten die Fensterscheiben, und tödliche Scherben fielen auf die hilflose Menschenmenge am Ufer hinunter. Der Lärm des zersplitternden Glases, das Heulen der Alarmanlagen und die Schreie der Menge ließen Rattigan fluchend vom Balkon stürmen. Er presste sich die Hände an die Ohren und stieg über die Glasscherben seiner Balkontüren zurück in die Suite. Dort rannte er hinaus in den Gang, wo sich bereits andere Gäste schreiend und weinend versammelt hatten.
    Draußen wurden Menschen zu Tode getrampelt, weil alle voller Panik so schnell wie möglich vom Fluss wegwollten. An beiden Enden des Fußwegs auf der Brücke rannten die Schaulustigen zur Treppe. Hunderte stolperten die Stufen hinunter, und diejenigen, die am Geländer über dem Fluss hingen …
    »Sie stürzen von der Brücke, sie stürzen von der Brücke!«, schrie der Reporter von der BBC .
    Apu hockte am Geländer, die Füße in die Zwischenräume gesteckt, und hielt sich am Handlauf fest. Instinktiv ließ er nicht los, obwohl er das Gefühl hatte, ihm würde das Trommelfell platzen. Die panisch rennenden Menschen auf der Brücke traten und schlugen jedoch auf seine Finger, und als er mit einem Fuß aus dem Spalt herausrutschte, verlor auch der andere den Halt, und er klammerte sich nur noch mit den Händen fest. Er schrie und kreischte, aber niemand hörte ihn, weil alle schrien und kreischten. Etwas schlug so fest auf seine linke Hand, dass er das Gefühl hatte, ihm würden die Finger abgehackt. Kraftlos glitt die Hand vom Geländer, und als er hinunterfiel, sah er neben sich einen halbwüchsigen Jungen, der zur gleichen Zeit wie er den Halt verloren hatte.
    Als er aufs Wasser aufschlug, dachte er nichts als: Ich kann doch nicht schwimmen. Sein Körper wurde sofort in die berüchtigte Strömung der Themse gerissen, und obwohl er wie wild paddelte und um sich schlug, wusste er, dass er ein toter Mann war. Sein Körper wurde herumgewirbelt, und als er unwillkürlich Luft holte, schluckte er das schmutzige Wasser der Themse. Fast sehnte er den Tod schon herbei, damit die Qual ein Ende hatte, als er auf einmal wieder an der Wasseroberfläche war. Unwillkürlich griff seine Hand nach etwas, woran er sich festhalten konnte, und seine Finger schlossen sich um die Rückenflosse eines Killerwals.
    Polizei- und Wasserwachtboote waren zur Stelle und zogen die Leute aus dem Fluss. Aber an den Fernsehschirmen sah man ganz deutlich, was passierte: Dutzende von Menschen trieben im Fluss, und die Killerwale hielten sie über Wasser.

3
    Früh am nächsten Morgen warteten nur noch zwei Journalisten vor der Wohnung von Whitakers Mutter auf eine Chance, den Exchef des Wal-Krisenkoordinationsteams zu erwischen. Sie wirkten ein wenig verloren. Während der Nacht war Roddys Wert für die Presse dramatisch gesunken. Der Fokus der Medien lag jetzt auf London und auf den Killerwalen, die in der Themse zurück zum Meer schwammen. Nachdem alle der ins Wasser Gestürzten in Sicherheit waren, hatten die Wale gedreht und waren wieder flussabwärts geschwommen. Die ganze Nacht über hatten sie den Fluss durchschwommen, an Canning Town und Creekmouth, an Dartford und Tilbury vorbei. Mittlerweile näherten sie sich Canvey Island. Polizeiboote eskortierten sie und richteten starke Suchscheinwerfer auf die schwarz-weißen Leiber im dunklen, glitzernden Wasser. Die Wale schwammen auch nicht mehr in der unnatürlichen Formation an der Wasseroberfläche und in einer Reihe; jetzt bildeten sie lockere Gruppen und tauchten nach Belieben auf oder unter. Immer noch standen Schaulustige an den Ufern, aber sie machten nicht mehr einen solchen Lärm, sondern beobachteten schweigend das Spektakel. Niemand wusste, was er davon halten sollte.
    In der Wohnung hörte Roddy, der zwar einen Kater hatte, aber zumindest nüchtern war, alle Voicemail-Nachrichten ab, die sich seit einer Woche auf seinem Handy angesammelt hatten. Whitakers unaufdringliche Ermutigung, das alarmierende Gespräch mit Derek und vor allem der Konvoi der Killerwale hatten ihn aus seinem apathischen Selbstmitleid herausgeholt. Er hätte schon im Koma liegen müssen, damit die Ereignisse in London ihn nicht fasziniert hätten. Einen Großteil der Nacht war er wach geblieben und hatte zugeschaut, wie die Wale zurück ins

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