Tief
ihre Geldbörsen fest umklammerten, herein; der Abfall auf der Promenade war schon seit Langem weggeräumt worden, und auf den Bänken saßen alte Damen mit ihrem Strickzeug.
Der Wetterbericht hatte einen heißen Tag versprochen. Schon jetzt war der Strand bereits halb voll mit Tagesgästen und Urlaubern. In einer schäbigen kleinen Hütte in der Nähe des Nordpiers vollendete Arnie, der Liegestuhlvermieter, gerade sein morgendliches Ritual. Wie an jedem Morgen in der Saison seit über zwanzig Jahren aß er ein Sandwich mit Schinken, trank eine Tasse Tee, schlug die Sun auf, drückte eine Zigarette aus, zündete eine neue an und ging dann – genau zehn Minuten zu spät – den Strand entlang zu den aufgestapelten Liegestühlen.
Er war ein ausgemergelter, kettenrauchender, nörgeliger vierundsechzigjähriger Witwer, der noch nie wissentlich einen Satz von mehr als vier Wörtern Länge ausgesprochen hatte, in dem nicht das Wort »Scheiße« oder etwas Ähnliches vorkam. Jetzt stand er da, zog hektisch an seiner Zigarette und beäugte gereizt die jungen Burschen, die ihm mit den Liegestühlen halfen.
»Macht euch an die Arbeit, ihr Scheißkerle!«
Es waren drei junge Männer: zwei ungewaschen aussehende Typen, die Arnie im Verdacht hatte, vor der Polizei auf der Flucht zu sein, und ein Student, der sich in den Semesterferien etwas dazuverdiente. Arnies Fluch waren die ständig wechselnden Aushilfskräfte, die er ertragen musste. Die Arbeit war nicht nur saisonal und schlecht bezahlt, sie unterlag auch Arnies speziellem Führungsstil. Dadurch war sie nur für diejenigen interessant, die zu nichts anderem taugten. Im Schnitt blieben sie zwei Wochen, bevor sie sich wieder davonmachten.
Arnie warf ihnen Schlüssel zu, und sie begannen die Sicherheitsschlösser zu öffnen und die Ketten einzusammeln. Arnie spuckte in den Sand.
»Und steckt euch bloß nichts in die eigene Tasche, Scheiße noch mal!«
Sie schnallten sich die Geldbeutel um, die Arnie ihnen gab, und begannen, die Liegestühle auf dem Strand zu verteilen.
Arnie spuckte erneut aus, als er ihnen zuschaute. Nutzlose Scheißkerle, vor allem der langhaarige Student.
Andrew – der Langhaarige – studierte Betriebswirtschaft an einer Fachhochschule in Bolton. Er wollte den Strandjob mindestens drei Wochen lang durchhalten. Er war viel an der Sonne – vorausgesetzt, sie schien, was oft genug nicht der Fall war –, bekam das Geld bar auf die Hand und konnte attraktive Mädchen anquatschen.
Nachdem er acht Liegestühle aufgestellt hatte, zog er sich das Hemd aus. Er war nicht der intelligenteste Student an seinem College, und eigentlich war sein Interesse an Betriebswirtschaftslehre auch nicht besonders groß; aber er hatte einen guten Körper und war sehr stolz darauf. Er steckte das Hemd in den Bund seiner Shorts. Es war großartig, die Sonne auf den Schultern und die leichte Brise in den Haaren zu spüren. Bei so einem Wetter kam ihm Blackpool wie Ibiza vor … in etwa jedenfalls, dachte er, als sein Blick über den schwabbeligen, weißen Bauch eines Mannes glitt, der sich am Strand sonnte.
Er blickte aufs Meer hinaus und lächelte wieder; die Sonne schien, er hatte beste Laune, und die Welt war schön.
* * *
Kate stand unter der Dusche und spülte sich gerade das Shampoo aus den Haaren und die Seife vom Körper. Sie hatte die Augen geschlossen, und das Wasser prasselte so laut auf sie herunter, dass sie nichts hörte. Plötzlich wurde der Duschvorhang zur Seite geschoben.
»Stahlross!«, rief Roddy.
Sie schrie auf und wäre vermutlich vor Schreck umgefallen, wenn er sie nicht an den Handgelenken gepackt hätte.
»Stahlross!«
»Was zum Teufel machst du hier?«, schrie sie erbost. »Ich hätte fast einen …«
Erneut kreischte sie auf, als er sie aus der Dusche zerrte.
»Lass mich los , Himmel, was willst …«
Ohne auf ihren Protest zu achten, zog er sie aus dem Badezimmer und ins Schlafzimmer.
»Sieh dir das Stahlross an! Wunderschön! Fantastisch!«
Auf dem Bildschirm wurde der Zug, der durch die amerikanische Prärie fuhr, immer kleiner, bis er schließlich am Horizont verschwand. Wütend riss Kate sich los. Sie ergriff einen Bettüberwurf, der auf einem Sessel lag, und wickelte sich darin ein. Roddy schien zum ersten Mal zu realisieren, dass er eine junge Frau – nackt, schreiend und gegen ihren Willen – aus der Dusche herausgezerrt hatte. Die beinahe hysterische Ekstase, die sich auf seinem Gesicht abgezeichnet hatte,
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