Tiefe Sehnsucht - stärker als alle Vernunft
informieren wollte, als die Badezimmertür aufging und Melissa heraustrat. Shane hob den Kopf und sah sie an, und das Herz wurde ihm schwer.
Sie sah aus, als sei sie gerade durch die Hölle gegangen. Ihr normalerweise pfirsichfarbener Teint war jetzt kalkweiß, der kalte Schweiß stand ihr auf der Oberlippe, und das Haar hing ihr feucht in die Stirn. „Ich habe dich gebeten, mich allein zu lassen“, stieß sie kaum hörbar hervor.
„Das habe ich auch getan, soweit ich es verantworten konnte.“ Nie im Leben hätte er in die Küche zurückgehen können, um in aller Seelenruhe zu frühstücken. Er richtete sich auf und sah Melissa besorgt an. „Geht das jetzt die ganzen neun Monate so weiter, oder ist das schnell wieder vorbei?“
Langsam ging sie auf ihn zu und setzte sich neben ihn auf das Bett. „Das ist ganz unterschiedlich. Manche Frauen leiden die ganze Zeit darunter, und andere haben überhaupt keine Probleme damit. Bei einer meiner Freundinnen in Kalifornien dauerte es nur einen Monat, dann war sie damit durch.“
Neun Monate? Schon bei dem Gedanken wurde ihm ganz elend. Ein oder zwei Tage waren schon schlimm genug.
„Kann der Arzt dir nicht irgendetwas dagegen verschreiben? Diese Anfälle sind ja schrecklich.“ Liebevoll legte er ihr den Arm um die schmalen Schultern und zog ihren immer noch bebenden Körper an sich. Heutzutage gab es doch gegen alles irgendein Medikament, warum dann nicht auch gegen dieses Schwangerschaftssymptom?
„Ich glaube, es gibt was gegen die Übelkeit, aber darüber weiß ich auch nichts Genaueres. Ich war ja noch nicht beim Arzt.“ Erschöpft schloss sie die Augen. „Vielleicht wäre es das Beste, wenn du mich heute noch ins Jarrod Ridge zurückbringst.“
„Kommt gar nicht infrage!“ Shane stand auf, zog Melissa hoch und führte sie auf die andere Seite des Betts. „In Willow Lodge gibt es niemanden, der für dich sorgen kann. Und ich will auf keinen Fall, dass du in diesem Zustand allein bist.“
„Ich kann doch Erica anrufen, wenn ich irgendetwas brauche.“ Ihre Halbschwester war immer sehr hilfsbereit gewesen. Allerdings kannte Melissa sie noch nicht sehr gut, denn Erica hatte erst bei der Testamentseröffnung erfahren, dass sie eine uneheliche Tochter des alten Jarrod war.
„Das tust du doch nicht, und das weißt du so gut wie ich.“ Shane schlug die Bettdecke zurück. „Denn Erica wird wissen wollen, was mit dir los ist. Und du wirst ihr vorläufig nicht sagen wollen, dass du schwanger bist.“ Er wies auf das Bett. „Ich habe dir gesagt, dass ich dir beistehen werde, Engelchen, und genau das habe ich auch vor. Nun leg dich hin und versuch zu schlafen. Ich bin sicher, du wirst dich danach schon viel besser fühlen.“
„Hast du etwa vor, mich in Zukunft herumzukommandieren?“ Misstrauisch sah sie ihn an, und er befürchtete schon, sie würde ihm ausgerechnet in dieser Situation ihre Unabhängigkeit beweisen wollen. Doch zu seiner Erleichterung kletterte sie gehorsam ins Bett. „Denn wenn, dann …“
„Keine Sorge. Ich hole die Peitsche nur raus, wenn es um deine und des Babys Gesundheit geht.“ Sorgfältig deckte er sie zu und setzte sich dann auf die Bettkante. „Und nun ruh dich erst mal aus, Lissa.“ Als er sich vorbeugte und ihr einen sanften Kuss auf die weiche Wange drückte, bemerkte er, dass Melissa bereits eingeschlafen war.
Wieder spürte er diesen sehr starken Besitzanspruch und hatte das dringende Bedürfnis, sie vor allem und jedem zu bewahren. Wann hatte er diesen Beschützerinstinkt das erste Mal empfunden? Aber im Grunde war das vollkommen gleichgültig, denn es ließ sich eh nicht mehr ändern. Während er auf die blonde schlanke Gestalt in seinem Bett heruntersah, gab er sich und ihr ein Versprechen. Was auch immer notwendig war, er würde alles, aber auch alles tun, was in seiner Macht stand, um ihr und dem Kind ein sicheres und angenehmes Leben zu ermöglichen.
„Wo ist denn Kaktus?“ Melissa war die Treppe heruntergekommen, hatte in der Küche nach dem alten Mann gesucht und fand schließlich Shane in seinem Arbeitszimmer.
Shane sah von seinem Rechner hoch. „Er spielt mit ein paar Männern Poker in der Baracke der Rancharbeiter. Nicht alle sind übers Wochenende weggefahren.“
„Wie hast du ihm denn mein plötzliches Verschwinden erklärt?“ Hoffentlich hatte Kaktus es nicht als persönliche Beleidigung aufgefasst, dass sie sein Essen hatte stehen lassen.
„Er hat mich gar nicht gefragt. Hat nur etwas
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