Tiefe
Geschwindigkeit mit dem Wind dahinglitt. Der schwache Ostwind kräuselte die Wasseroberfläche. Das Netz war zweiundvierzig Meter lang, berechnete er, und sie entwirrte es rasch, wenn es sich zu verheddern drohte. Es ging schnell, sie wußte, was sie tat. Die blonden Haare hingen ihr ins Gesicht, sie blies sie weg, schüttelte den Kopf und klemmte sich eine lange Strähne in den Mundwinkel, damit sie nicht störte.
Er setzte den Feldstecher ab. Es war merkwürdig, daß sie allein da draußen im Boot war. War ihr Mann krank? Lag er hinter der geschlossenen Tür?
Er faßte einen raschen Entschluß. Es würde dauern, bis sie mit dem Netz fertig war und zurückkam.
Er ging hinunter zur Kate. Die Tür war noch immer geschlossen, die Katze war verschwunden. Vorsichtig ging er hin und spähte durchs Fenster. Es war dämmrig, und er konnte kaum etwas erkennen. Es glühte in dem offenen Kamin. Plötzlich flammte die Glut auf. Es war nur ein Zimmer mit einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl zwischen den morschen Wänden. Er konnte niemanden da drinnen entdecken. Er prüfte die Tür, klopfte leicht an und öffnete sie. Das Zimmer war leer. Es gab keine Spuren von ihrem Mann. Keine Stiefel, keinen langen Mantel, keine Pfeife auf dem Tisch, kein Gewehr an der Wand. Sie lebte allein hier. Es gab keinen Mann. Sara Fredrika war allein auf der Schäre.
Der Nebel hatte sich aufgelöst, als er zum Schiff zurückkehrte. Er ruderte so schnell, daß er schwitzte. Warum hatte er es so eilig?
War er unterwegs, um etwas zu finden oder etwas zu verlieren?
Leutnant Jakobsson stand an der Reling und klopfte seine Pfeife aus.
Er lächelte. »Sie stehen früh auf.«
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt?«
»Wenn ich schlafe, träume ich, ich wäre wach. Manchmal weiß ich nicht, ob ich schlafe oder wach bin. Aber wenn ich hinaus an Deck komme, geht es um die Wirklichkeit, und da habe ich gesehen, daß die Jolle verschwunden war, und die Wache sagte, Sie seien im Nebel weggerudert.«
»Ich muß mich bewegen. Die Arbeit in den Booten reicht nicht aus.«
Er kletterte an Deck und ging zur Messe, um zu frühstücken. Er hatte zu viel Zeit auf Halsskär verbracht. Die Arbeit würde an diesem Tag verspätet anfangen.
Leutnant Jakobsson folgte ihm. »Ich sollte mich vielleicht anschließen«, sagte er, als er seine Pfeife angezündet hatte. »Haben Sie etwas entdeckt?«
Für einen Moment dachte Lars Tobiasson-Svartman, daß Leutnant Jakobsson Bescheid wüßte. Dann verstand er, daß die Frage unschuldig gemeint war.
»Da gibt es nichts. Man kann nicht einmal an Land gehen. Aber ich rudere gern.«
»Mit meiner Hand ist das nichts, was mir Spaß macht.«
Lars Tobiasson-Svartman leerte seine Kaffeetasse und stand auf, ging hinaus an Deck und kletterte in eine Barkasse hinunter.
Ingenieur Welander hob die Hand zu einem ungeschickten Gruß. Seine Barkasse hatte schon abgelegt.
Die Lippe des Matrosen, den Lars Tobiasson-Svartman am Tag zuvor ins Gesicht geschlagen hatte, war geschwollen, aber unter seiner Nase hing kein Rotz. Er hatte den Platz getauscht und saß jetzt an dem Ruder, das am weitesten von der Ducht entfernt war. Dort wäre er schwerer zu erreichen, falls Lars Tobiasson-Svartman einen neuen Wutausbruch bekommen sollte. Spätnachmittags tauchte die Svea am Horizont auf. Sogleich unterbrachen sie ihre Arbeit. Um sechs hatte Lars Tobiasson-Svartman seine Notizen ins reine geschrieben.
Er kletterte über den Landungssteg, der zwischen den Schiffen ausgelegt worden war. Anders Höckert nahm ihn in Empfang. Auf dem Weg zu Fregattenkapitän Rake fragte Lars Tobiasson-Svartman höflich nach Leutnant Sundfeldt und Artilleriekapitän von Sidenbahn.
»Von Sidenbahn hat seine Aufgabe erfüllt und ist wieder zurück an Land«, sagte Anders Höckert. »Da fühlt er sich am wohlsten. Er war es verdammt leid, sich auf schwankendem Boden zu befinden. Sundfeldt schläft, da er nachts auf der Brücke Wache hatte. Er hat ein merkwürdiges Schlafherz, dieser Mann. Manche von denen, die sich für die Laufbahn des Marinesoldaten entscheiden, träumen in erster Linie davon, daß ihnen die Schiffe mit ihrem Wiegen einen guten Nachtschlaf bereiten. Ich habe eine Theorie darüber, daß sie sich eigentlich nach ihren Müttern sehnen. Aber wie geht es mit der Arbeit voran?«
»Gut.«
»Bestimmte Dinge gelingen. An anderen Tagen gibt es Rückschläge. Aber mit der Arbeit geht es voran.«
Anders Höckert klopfte an die Tür und öffnete sie, bevor
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