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Tiefe

Tiefe

Titel: Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Landungsbrücke.
    Rake fragte nach dem Fortgang der Arbeit.
    »An manchen Tagen gelingt alles, andere Tage bringen Rückschritte. Aber es geht vorwärts«, erwiderte Lars Tobiasson-Svartman.
    Auf dem Weg hinunter über die Landungsbrücke stolperte er. Einen kurzen Moment lang war er nahe daran, den Brief zu verlieren, den er in der Hand hielt.
    Er schloß sich in der Kajüte ein und setzte sich, um den Brief zu lesen.
    Plötzlich war er überzeugt, daß sie ihm nicht schon früher geschrieben hatte, weil sie ihm untreu geworden war. Der Brief enthielt bestimmt das Bekenntnis, daß sie einen anderen gefunden hatte. Er saß lange mit dem Brief in der Hand da und hatte nicht den Mut, ihn zu öffnen.
    Der Brief enthielt nichts von dem, was er fürchtete.
    Kristina fing damit an, sich zu entschuldigen, daß es mit dem Schreiben so lange gedauert habe. Sie sei einige Tage unpäßlich gewesen. Und die Haushaltshilfe Anna Beata habe plötzlich gekündigt. Vielleicht sei diese ganz einfach schwanger, es war nicht möglich, von ihr eine vernünftige Erklärung zu bekommen, warum sie gehen wollte. Das hatte bedeutet, daß Kristina sich an Frau Eber wenden mußte, die in der Brahegata eine Dienstbotenagentur unterhielt, um dann Bewerberinnen zu interviewen. Es habe Tage und Abende gebraucht, bevor sie ein Mädchen aus Ödeshög anstellen konnte, das sonderbar sprach, aber gute Zeugnisse hatte, unter anderem von einem Direktor des Gymnasiums in Sö-dertälje. Auch sie hieß Anna, war siebenundzwanzig Jahre alt, und Kristina Tacker beschrieb sie als »etwas mollig, mit großen und dummen Augen, aber redlich und ehrlich im Auftreten. Außerdem ist sie kräftig, was nützlich sein kann, da unsere Teppiche so schwer sind.«
    Zum Schluß sprach sie davon, wie sehr sie sich nach ihm sehne, von der leeren und verlassenen Wohnung, ihrer Angst vor dem Krieg und daß sie wünsche, er komme bald wieder nach Hause zurück.
    Er legte den Brief weg und schämte sich der Gedanken, die er gehabt hatte. Er hatte eine Frau, die ihm innig schrieb; ihr Brief war durch das Ausscheiden eines Dienstmädchens verzögert worden, das vielleicht in einem Gebüsch auf Djur-gärden geschwängert worden war und seinen Pflichten nicht mehr nachkommen konnte. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ihr allein die praktischen Angelegenheiten überließ, die sie vielleicht nicht bewältigen konnte. Sie war wie eine ihrer Porzellanfiguren.
    Er dachte, es müsse Liebe sein, was er jetzt fühlte. Die Spannung, die nachließ, das schlechte Gewissen. Und ihr Duft, der die enge Kajüte erfüllte.
    Er schrieb umgehend eine Antwort: Weder rührte er an den Vorfall mit Rudins Tod, noch kam der tote deutsche Soldat in seinem Brief vor. Er fürchtete, daß das ihre Besorgnis nur verstärken würde. Statt dessen schrieb er von seiner Einsamkeit und großen Sehnsucht. Er schrieb schön über das Meer, das seine Haut nicht verkaufte, die endlosen Stunden in der Barkasse, die einsamen Mahlzeiten. Und noch einmal, wie sehr er sich nach ihr sehne und daß er jede Nacht von ihr träume.
    Als er fertig war, sagte er sich, daß kein einziges Wort wahr war. Nichts von dem, was da stand, war echt. Es waren lauter Erfindungen, leere Poesie, sonst nichts.
    Es war, als hätte sich etwas zwischen ihn und Kristina Tacker gestellt. Er wußte, was es war. Oder vielmehr, wer. Es war sie, Sara Fredrika, die allein auf Halsskär lebte. Es war, als stünde sie da in der Kajüte, den Rock bis über die Knie hochgebunden. Er ging hinaus an Deck und schaute nach Halsskär hinüber, das sich in der Dunkelheit verbarg.
    Dorthin war er unterwegs.
    Spätabends, kurz vor Mitternacht, kam Anders Höckert von der Svea zurück und überbrachte das Logbuch, das jetzt kopiert worden war.
    Lars Tobiasson-Svartman reichte ihm den Brief, den er an seine Frau geschrieben hatte. Anders Höckert nickte und lud ihn ein, am Kartenspiel in der Messe des Panzerboots teilzunehmen.
    Er lehnte dankend ab. Er lag lange wach. Er sehnte sich nach der Frau auf Halsskär.
    Die Svea stach in der Nacht wieder in See.
    Er erwachte von den kräftigen Vibrationen, als das Schiff achteraus von der Blenda ablegte.
    Der Brief an seine Frau war unterwegs.
    Die Brieftaube war aus Stahl, als Flügel dienten starke Dampfmaschinen.
    Als er in der Morgendämmerung aufstand, kam ihm Leutnant Jakobsson mit ernster Miene entgegen. Er bat ihn, ihm zum Vorschiff zu folgen.
    Zwischen den großen Seilwinden lag Marineingenieur Welander. Er war

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