Tiefe
vorzunehmen. Habe ich recht?«
»Natürlich.«
»Bis auf weiteres stehen Sie dem Marinestab zur Verfügung. Es scheint kein Mangel an Aufgaben zu herrschen.«
Der Vizeadmiral ließ seine Hand schwer auf den Tisch fallen, zum Zeichen, daß die Besprechung beendet war. Er erhob sich, Lars Tobiasson-Svartman salutierte und verließ das Zimmer.
erst als er sich vor dem Grand Hotel befand, blieb er stehen und öffnete den Umschlag.
Die Mitteilung war kurz. Schon am nächsten Tag um neun Uhr sollte er sich bei der Spezialabteilung für Fahrwasserstrecken, Markierungen und Hafenanlagen einfinden. Der Befehl war im Auftrag eines Abteilungschefs bei der Marineeinheit von Leutnant Kaspersson unterzeichnet.
Er ging zum Rand des Kais. Ein paar weiße Schärenboote lagen still und eingefroren da.
Er merkte, daß er zitterte. Der Gegenbefehl, der eingestellte Auftrag, hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen. Ihm wurde klar, daß er im Schutz des Auftrags, nach Gamleby zu fahren, einen Plan gemacht hatte, den er bisher sogar vor sich selbst geheimgehalten hatte. Er würde nach Halsskär zurückkehren und Sara Fredrika treffen. Nichts anderes bedeutete ihm etwas. Nur das hatte einen Sinn.
Er ging ins Grand Hotel und setzte sich ins Cafe. Es war noch früh, wenige Gäste, untätige Kellner. Er bestellte Kaffee und Kognak.
»Es ist kalt draußen«, sagte der Kellner. »Der Kognak ist für Tage wie heute geschaffen.«
Lars Tobiasson-Svartman unterdrückte einen gewaltigen Drang, aufzustehen und den Kellner zu ohrfeigen. Er ertrug es nicht, angesprochen zu werden. Der Bescheid war wie eine Kriegserklärung, er mußte Widerstand leisten, einen neuen Plan machen und den ersetzen, der soeben zerschlagen worden war.
Er blieb mehrere Stunden lang sitzen. Als er aufstand, war er betrunken. Aber er wußte, was er zu tun hatte.
Als er ging, gab er dem Kellner ein reichliches Trinkgeld.
Zu Kristina Tacker sagte er nichts über den Bescheid, den er erhalten hatte. Sie fragte, wie lange er schätze, in Gamleby zu sein, und wann er aufbrechen werde. Er antwortete, es könne einige Wochen dauern, aber
kaum länger als bis Ende Januar. Sie solle Gepäck für
dreißig Tage vorbereiten.
An diesem Abend, und bis tief in die Nacht hinein,
saß er über seinen Seekarten und Notizbüchern für die neue Strek-ke des Fahrwassers bei Sandsänkan. Um fünf Uhr morgens war er fertig und legte sich auf das Sofa im Arbeitszimmer, zugedeckt mit seinem Kapitänsmantel.
Zweimal während der Nacht hatte Kristina Tacker durch die Tür seines Arbeitszimmers gespäht.
Er merkte nicht, daß sie da war. Ihr Duft erreichte ihn nicht.
Am 9. Januar 1915 zog ein verheerender Wintersturm über Stockholm hin. Dächer wurden von den Häusern gerissen, Schornsteine stürzten ein, Bäume wurden entwurzelt, Menschen kamen zu Tode. Dem Sturm folgte eine Periode strenger Kälte. Sie hielt sich bis Ende des Monats über der Stadt.
Am 30. Januar setzte Lars Tobiasson-Svartman seinen Plan ins Werk. Auf Skeppsholmen hatte er freundlich und scheinbar zufrieden mit einer Durchsicht der Seekarten über den inneren Bottnischen Meerbusen begonnen. Er kam wie üblich um acht Uhr zur Arbeit, wechselte mit seinen Kollegen ein paar Worte über die strenge Kälte und ersuchte dann um ein Treffen beim Abteilungsleiter Kapitän Sturde. Der Abteilungsleiter war unangenehm fett, selten ganz nüchtern, und alle hielten ihn für einen Meister in der Kunst des Nichtstuns. Er träumte von dem Tag, an dem er seinen Dienst quittieren und sich ganz seinen Bienenstöcken auf dem Hof außerhalb von Trosa würde widmen können.
Lars Tobiasson-Svartman legte seine Seekarte auf den Tisch. »In die Berechnungen des neuen Fahrwassers bei Sand-sänkan hat sich ein schlimmer Fehler eingeschlichen«, begann er. »In den Aufzeichnungen, die ich von Marineingenieur Welander bekommen habe, sind die Tiefen auf einer Strecke von 300 Metern mit einem Durchschnitt von 18 Metern falsch angegeben. Nach meinen eigenen Berechnungen habe ich Grund zu der Annahme, daß die Tiefen höchstens auf 6 oder 7 Meter berechnet werden können.«
Kapitän Sturde schüttelte den Kopf. »Wie konnte es dazu kommen?«
»Es ist sicher bekannt, daß Ingenieur Welander einen Zusammenbruch erlitten hat.«
»War das der, der sich kaputtgesoffen hat? Er soll sich jetzt angeblich in einer Nervenheilanstalt befinden. Völlig zerrüttet von der Trunksucht und der Verzweiflung, die von aufgezwungener Nüchternheit hervorgerufen
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