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Tiefe

Tiefe

Titel: Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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von Toten auf ihren Schiffen zu beklagen haben als ich.«
    Über verschiedene Treppen suchten sie sich ihren Weg zu den am tiefsten gelegenen Räumen des Schiffs. Lars Tobias-son-Svartman spürte, daß sie sich jetzt genau auf der Höhe der Wasserlinie befanden. Die Luft war drückend, der Öl-Geruch stickig. 
Sie stiegen weiter hinab in die Tiefe.
    Der Bootsmann lag in seiner Hängekoje. Es roch muffig und nach Schweiß und Angst.
    Lars Tobiasson-Svartman fiel es schwer, in der Dunkelheit Einzelheiten zu erkennen. Seine Augen brauchten lange, um sich an den Übergang von Hell und Dunkel zu gewöhnen.
    Rake zog seine Handschuhe aus und beugte sich
    »Wo sitzt der Schmerz?« fragte Rake.
    Rudin schlug die Decke zurück und lag im Hemd da. Er zog es über dem Brustkorb hoch. Die drei Männer beugten sich gleichzeitig über die Koje. Rudin deutete auf einen Bereich rechts vom Nabel. Allein die Handbewegung ließ ihn vor Schmerzen grimassieren.
    »Wie lange tut es schon weh?« fragte Rake.
    »Seit gestern abend. Wir hatten Stockholm gerade verlassen, als es anfing.«
    »Anhaltend oder stoßweise?«
    »Erst stoßweise, jetzt anhaltend.«
    »Haben Sie diesen Schmerz schon früher einmal gehabt, Rudin?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Denken Sie nach. Kein Schmerz gleicht dem anderen.«
    Rudin lag unbeweglich da und dachte nach. »Nein«, sagte er dann. »Diese Schmerzen sind neu. Ich habe noch nie zuvor so etwas empfunden.«
    Rake legte seine magere Hand auf den Bereich, in dem Rudin Schmerzen hatte. Er übte mit der Handfläche Druck aus, erst leicht, dann stärker. Rudins Gesicht verzerrte sich, und er stöhnte.
    Rake nahm die Hand weg. »Es ist vermutlich eine Blinddarmentzündung.«
    Er richtete sich auf. »Sie müssen operiert werden. Es wird gutgehen.«
    Rudin schaute seinen Kapitän dankbar an und zog die Decke wieder bis zum Kinn hoch. Trotz der Schmerzen salutierte er in seiner liegenden Stellung.
    Sie kehrten aufs obere Deck des Schiffs zurück. Rake erteilte Leutnant Sundfeldt die Anweisung, der Funker solle die Thule kontaktieren, eins der Kanonenboote erster Klasse, mit der die Svea gleich östlich des Leuchtturms von Sandsänkan ein Treffen vereinbart hatte.
    »Sie müßten sich jetzt auf nördlichem Kurs befinden, irgendwo zwischen Västervik und Häradskär«, sagte Rake. »Das Kanonenboot soll so schnell wie möglich entgegenkommen, um Rudin an Bord zu nehmen und ihn nach Bräviken zu bringen. Norrköping hat ein gutes Lazarett. Ich möchte keinen meiner Bootsmänner verlieren.«
    Leutnant Sundfeldt grüßte und verschwand. Schweigend kehrten sie in den Salon zurück. Rake hielt ihm ein Zigarrenetui hin. Lars Tobiasson-Svartman lehnte dankend ab. Er hatte zu Beginn seiner Ausbildung zum Schiffsoffizier versucht zu rauchen. Unter allen Kurskameraden waren nur drei Nichtraucher. Aber er konnte es sich nicht angewöhnen. Den Rauch einer Zigarre oder Zigarette in die Lungen einzuziehen verursachte bei ihm Erstickungsgefühle, die schnell in Panik umzuschlagen drohten.
    Rake zündete sorgfältig seine Zigarre an. Die ganze Zeit horchte er auf die Vibrationen im Schiffsrumpf. Lars Tobiasson-Svartman war dieses Verhalten bei erfahrenen älteren Kapitänen seit langem aufgefallen. Sie standen auf der Kommandobrücke, auch wenn sie in ihrem Salon saßen und Zigarren rauchten. Die Vibrationen im Rumpf schienen sich in Bilder zu verwandeln, die ihnen mitteilten, wo auf See sie sich befanden. 
Dann sprachen sie über den Krieg.
    Rake berichtete, die englische Flotte habe in großer Eile und einer gewissen Unordnung bereits am 27. Juli ihre englischen Schiffe anzugreifen, solange sie sich an ihren Basen befänden. Periskope deutscher U-Boote seien am 27. Juli im Morgengrauen von den Mannschaften englischer Fischerboote gesichtet worden. Die Trawler, durch die Pentland Firth unterwegs zu den Fischgründen der Doggerbank weiter draußen in der Nordsee, hatten mindestens drei U-Boote gesichtet.
    Lars Tobiasson-Svartman konnte die Kartenbilder vor sich sehen. Er hatte ein fast photographisches Gedächtnis, wenn es um Seekarten ging. Scapa Flow, Pentland Firth, die Basen der britischen Marine auf den Orkneyinseln; er konnte sogar aus dem Gedächtnis die wichtigsten Angaben über die Tiefen in den Einmündungsrinnen der verschiedenen Naturhäfen abrufen.
    »Möglicherweise wird die englische Flotte eine Überraschung erleben«, sagte Rake nachdenklich.
    Lars Tobiasson-Svartman wartete auf eine Fortsetzung, die nicht

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