Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
Connor noch Robbie aufgefallen zu sein, dass Nick das Haus oder den kleinen Strandabschnitt davor nie wirklich verließ. Ganz von ihren Jobs und Freunden in Beschlag genommen, schenkten sie ihm nicht viel Aufmerksamkeit. Bess hingegen war sich sehr bewusst, dass Nick mehr zu den jungen Leuten in ihrem Haus gehörte als sie selber. Ab und zu gesellte er sich für ein paar Videospiele zu den Jungs, oder hing mit ihnen auf der Terrasse ab und spielte Karten. Aber genauso viel Zeit verbrachte er bei geschlossener Tür in seinem Zimmer. Er hatte seinen Platz in der Welt der Jungs so einfach gefunden wie in ihrer. Es war nur Bess, die als Erwachsene nun die Außenseiterin war.
Sie fragte Nick nicht, was er in den Stunden in seinem Zimmer tat, aber von den wechselnden Lücken im Bücherregal schloss sie, dass er viel las. Sie las auch sehr viel, und sosehr sie als junge Mutter immer die Zeiten herbeigesehnt hatte, wenn ihre Jungs endlich in die Schule mussten, sosehr zählte sie jetzt die Minuten, bis sie zur Arbeit gingen.
Drei quälende Wochen lagen hinter ihr, in denen Connor die Frühschicht und Robbie die Spätschicht gehabt hatte, sodass es im Haus von morgens bis abends nur so vor Teenagern wimmelte. Aber nun endlich hatten beide Frühschicht. Connor verließ das Haus vor Robbie, der sich Bess’ altes Fahrrad flott gemacht hatte und damit zur Arbeit und zurück radelte.
„Was machst du da?“, fragte er gerade mit dem Mund voll Cornflakes.
Bess hob den Blick von den Broschüren, in denen sie gelesen hatte. „Ich versuche herauszufinden, wie ich das Haus winterfest machen kann. Es war ja nie als Ganzjahresresidenz gedacht gewesen. Wenn wir also das ganze Jahr über hier bleiben wollen, muss ich einige Veränderungen vornehmen.“
„Ja, wie zum Beispiel mir ein größeres Zimmer zu geben“, grinste Robbie. „Wenn Conn auf dem College ist, braucht er es doch sowieso nicht mehr.“
Bess lachte. „Wir könnten die Stockbetten ausmisten. Dann hättest du wesentlich mehr Platz. Wenn du magst, kaufen wir dir ein neues Bett und einen Schreibtisch. Am Ende des Sommers gibt es immer einen großartigen Ausverkauf bei Ikea.“
Robbie nickt. „Okay, klingt gut.“
Bess blätterte durch einige weitere Hochglanzbroschüren der örtlichen Heizungs- und Kältebaufirmen. Das Strandhaus hatte einen Ofen, und die Fenster waren vor knapp vier Jahren erneuert worden, als ihre Eltern überlegt hatten, ganz hierherzuziehen. Sie schaute sich um.
„Es ist ein ganzes Stück kleiner als die anderen Häuser“, merkte sie an.
Robbie stand auf und stellte die Schüssel und seinen Löffel in die Geschirrspülmaschine. „Klar, aber es sind ja auch nur du und ich.“
Seine Antwort kam so unvorbereitet, klang so sachlich, dass es Bess das Herz mehr brach, als wenn er traurig geklungen hätte. „Robbie? Kommst du mit der Sache klar?“
Seine Schultern sackten zusammen, und er tat so, als würde er sich an der Arbeitsplatte mit irgendwas beschäftigen. „Klar. Die Leute lassen sich alle naslang scheiden. Ich will nur, dass du und Daddy glücklich seid.“
Bess stand auf und lehnte sich neben ihn an die Küchenzeile. Robbie polierte einen Apfel, eine Geste, die sie als Ersatzhandlung erkannte, damit seine Hände etwas zu tun hatten und er seine Mutter nicht anschauen musste. „Du weißt, dass du jederzeit mit mir darüber reden kannst, wenn du willst.“
„Ich hab nichts zu reden.“ Er warf ihr einen kleinen Seitenblick und ein wenig überzeugendes Lächeln zu.
„Na gut“, sagte sie. „Aber falls doch …“
„Ich weiß, Mom.“
Robbie war immer ihr Kuschelkind gewesen, der Sohn, der ihr bunt angemalte Steine und kleine, im Garten gepflückte Unkrautsträuße mitgebracht hatte. Er war morgens in ihr Bett gekrabbelt, nachdem Andy zur Arbeit gefahren war, um fernzusehen. Er hatte ihr auch immer von den Mädchen erzählt, die ihm gefielen. Zumindest bis vor ein paar Jahren.
„Ich weiß, dass du das weißt“, sagte Bess sanft.
Robbie schaute sie an, und sein Lächeln wurde breiter. „Und ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß.“
Sie lachte und verdrehte die Augen. Dann scheuchte sie ihn mit einer Handbewegung aus der Küche. „Ab jetzt mit dir, die Arbeit ruft.“
„Ich geh ja schon.“ Er warf den Apfel in die Luft und fing ihn wieder auf, dann beugte er sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Bis später.“
„Wann wirst du zu Hause sein?“
„Ich hab um neun Uhr Feierabend.“ Er blieb in der
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