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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Kalotte.
    Chavez nahm sie und bedankte sich. »Sie sind nicht zufällig Yitzak Lemstein?« fragte er und setzte sich die Kalotte mitten auf den Kopf.
    Der alte Mann betrachtete ihn mit einem traurigen Blick.
    »Doch«, sagte er.
    »Ich bin Jorge Chavez von der Reichskriminalpolizei. Haben Sie die Aufsicht über den Friedhof?«
    »Ja«, sagte Yitzak Lemstein. »Ich und meine Söhne pflegen ihn.«
    »Es ist wirklich entsetzlich, was letzte Nacht hier passiert ist. So etwas sollte in Schweden nicht vorkommen.«
    »Es wird immer wieder passieren. Zu allen Zeiten und überall auf der Welt.«
    Chavez hielt einen Moment erstaunt inne. Dann sagte er:
    »Es ist in den letzten Jahren viel Schaden angerichtet worden, soweit ich verstanden habe.«
    »Ja«, sagte Lemstein lakonisch.
    »Ich würde gern ein paar Fragen stellen, wenn Sie Zeit haben. Sie wissen ja, was mit Professor Sheinkman letzte Nacht hier geschehen ist. Kannten Sie ihn?«
    »Nein.«
    »Und Sie wissen nicht, warum er hier gewesen sein kann?«
    »Nein.«
    »Ich habe über diesen Grabstein nachgedacht, bei dem er getötet wurde …«
    »Wann können wir uns darum kümmern?«
    »Wieso?«
    »Wann wir uns um den Grabstein innerhalb der Absperrbänder kümmern können. Er liegt da, und es geht ihm schlecht.«
    Chavez betrachtete den Mann eine Weile. Dann sagte er:
    »Darauf kann ich Ihnen keine genaue Antwort geben. Wahrscheinlich bald. Ich kann unsere Techniker anrufen und mich erkundigen, wenn Sie mir ein paar Fragen zu dem Stein beantwortet haben. Wer ist ›Shtayf‹? Und warum steht kein Vorname und kein Geburtsdatum auf dem Stein?«
    Da kehrte der alte Mann ihm den Rücken zu. Er schritt langsam zu seiner Schubkarre und fuhr damit weg.
    Chavez blieb ein paar Sekunden verblüfft stehen. Dann joggte er hinter dem Mann her. »Warum wollen Sie mir keine Antwort auf die Frage geben?«
    »Das hat nichts mit euch zu tun. Es ist jüdisch.«
    »Aber verflixt und zugenäht. Vielleicht war Leonard Sheinkman auf dem Weg zu diesem Stein. Es ist wichtig.«
    Yitzak Lemstein blieb stehen, setzte die Schubkarre mit einem Ruck ab und fixierte Chavez. »Kennen Sie jüdischen Humor?« fragte er todernst.
    »Nicht direkt«, räumte Chavez ein. »Woody Allen?«
    Lemstein seufzte und packte wieder die Handgriffe seiner Karre.
    Chavez legte vorsichtig die Hand auf seine Schulter und sagte: »Es tut mir leid. Sie müssen mir erklären, was Sie meinen.«
    Eine Weile stand der Alte so mit den Händen um die Griffe der Karre da. Dann ließ er noch einen Seufzer hören, ließ die Karre los und wandte sich dem hartnäckigen Latino-Polizisten zu.
    »Humor ist die Methode, mit der wir überlebt haben«, sagte Yitzak Lemstein. »Der jüdische Humor ist eine spezielle Form von Galgenhumor, oft voller Wortspiele. In den Vernichtungslagern wurden eine Menge Scherze gemacht. Das war ein Teil des Überlebens. Glauben Sie mir, ich weiß es.«
    Er zeigte Chavez sein Handgelenk. Die schwarzen Ziffern waren fast ganz von dichten, grauen Haaren bedeckt. Aber dennoch leuchteten sie mit einem ganz und gar dunklen Licht.
    Chavez nickte und sagte: »›Shtayf‹ ist also – ein Scherz?«
    »Es ist jiddisch«, sagte der Alte. »›Shtayf‹ bedeutet ›steif‹. Englisch ›stiff‹. Leiche. Man kann auch auf dem Friedhof scherzen.«
    »Aber warum steht es auf dem Grabstein? Was bedeutet es?«
    »Daß es eine unbekannte Leiche ist. Das Grab des unbekannten Soldaten, sozusagen. Unbekannter toter Jude.«
    »1981 gestorben und unbekannt?«
    »Ja.«
    »Waren Sie dabei, als er begraben wurde? Wenn es ein Mann war?«
    »Es war ein Mann. Ja, ich habe ihn mitbegraben. Ich gehöre der Chevra Kadisha an. Es ist meine Pflicht als Pfleger des Friedhofs.«
    »Chevra Kadisha?«
    »Die Friedhofsgesellschaft.«
    »Wenn er unbekannt war, woher wußten Sie denn, daß er Jude war?«
    »Er war beschnitten. Und dann hatte er das hier.«
    Er zeigte wieder auf die tätowierte Nummer an seinem Handgelenk.
    Chavez nickte.
    »Wie war er gestorben?«
    »Ermordet. Erstochen, glaube ich. Ich meine mich zu erinnern, daß er nackt im Wald gefunden wurde. Aber genau weiß ich es nicht mehr. Niemand konnte ihn identifizieren. Aber Sie sind ja Polizist, Sie können doch mehr herausfinden.«
    »Ja, und das werde ich auch tun. Fällt Ihnen sonst noch etwas ein? Wie alt war er?«
    »Er war wohl um die Vierzig. Genau, und dann war da noch etwas.«
    »Was denn?« fragte Chavez.
    »Er hatte keine Nase.«
    »Keine Nase?«
    »Sie war weg.«
    »Hatte

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