Tiefer Schmerz
sagte Kerstin und nickte schwach.
»Wäre das nicht eine passende Gelegenheit, Bruun einen Besuch abzustatten?« fragte Hjelm hoffnungsvoll. Er hatte seinen alten Chef nicht gesehen, seit der Herzinfarkt ein Monstrum namens Sten Lagnmyr an dessen Stelle gerückt hatte.
»Ich finde schon«, sagte Hultin. »Du und Jorge.«
»Okay«, sagten die beiden im Duett.
»Und wie kommst du mit den Schiffen voran, Sara?« fuhr Hultin fort und sah neutraler aus als seit langem. Es war augenscheinlich an der Zeit, den Gefühlsschwall zu kompensieren.
»Ganz ordentlich«, sagte Sara Svenhagen. »Es gibt viele Möglichkeiten, von Stockholm per Bus nach Lublin zu gelangen, besonders wenn man fünfunddreißig Stunden Zeit hat. Dies ist also die Zeit zwischen dem eventuellen Abgang des Busses in Slagsta und dem Anruf auf dem Handy aus Lublin. Am logischsten wäre es wohl, sich auf die nächste Fähre zu begeben, in Nynäshamn, und von da nach Gdansk überzusetzen, das ist die direkteste Verbindung, wenn man über Lublin in die Ukraine fahren will. Es ist eine Nachtfähre, die um siebzehn Uhr abgeht und erst um halb zwölf am nächsten Tag in Gdansk ankommt. Von Gdansk nach Lublin sind es ungefähr fünfhundert Kilometer. Das Gespräch kam um drei am Odenplan an. Wenn es, sagen wir mal, eine halbe Stunde dauert, von der Fähre herunterzukommen, muß man ein Tempo von vielleicht hundertsechzig, hundertsiebzig fahren, um bis drei Uhr in Lublin zu sein. Das geht nicht. Es ist also die falsche Fähre. Die zweite denkbare Möglichkeit direkt von Schweden aus ist Karlskrona. Die M/S Stena Europa lief um neun Uhr am Abend von Karlskrona aus und war am nächsten Morgen um sieben in Gdynia. Da hatte man acht Stunden Zeit für die fünfhundert Kilometer. Das klingt schon besser. Also habe ich mich mit der Stena Line in Verbindung gesetzt, um zu erfahren, was sie an diesem Tag an Bussen befördert haben. In der Nacht vom vierten auf den fünften Mai waren acht Busse an Bord der Fähre von Karlskrona. Vier waren organisierte Gruppenreisen, ein polnischer, ein deutscher und zwei schwedische; einer von den schwedischen bestand ausschließlich aus männlichen Singles auf dem Weg nach Osten, um sich Langzeit-Partner oder, alternativ, Geschlechtskrankheiten anzuschaffen. Ein Bus sollte von einer polnischen Firma verschrottet werden, der Rest war privat. Jetzt kommt das Interessante. Was wird von Schweden nach Polen geschmuggelt – statt umgekehrt?«
»Jagdflugzeuge?« schlug Viggo vor.
»Elchschaufeln?« schlug Jorge vor.
»Beinah«, sagte Sara. »Seeadler.«
»Wilderei?« fragte Kerstin.
»Komm zur Sache«, sagte Hultin.
»Der private polnische Bus war bis oben hin voll mit illegal geschossenen Seeadlern. Anscheinend haben der polnische und der schwedische Zoll mit der Naturschutzbehörde zusammengearbeitet. Die Naturschutzbehörde hat einen Videofilm von dem Zugriff aufgenommen. Eine Minute davon lief am Freitagabend in den Nachrichten. Aber sie haben offenbar ziemlich viel Filmmaterial, das sie im Laufe des Tages herüberschicken. Wenn wir Dusel haben, sieht man etwas von den anderen Bussen. Außerdem habe ich vor, einen Trip nach Karlskrona zu machen und mit dem Personal auf dem Schiff zu reden. Es ist die gleiche Schicht, die heute abend nach Gdynia fährt. Erlaubt das Budget einen Flug nach Landskrona?«
»Zweck?« sagte Hultin.
»Bilder von Galina Stenina, Valentina Dontsjenko, Lina Kostenko, Stefka Dafovska, Mariya Bagrjana, Natalja Vaganova, Tatjana Skoblikova und Svetlana Petruseva herumzeigen. Herausfinden, woran das Personal sich erinnert. Wenn sie an Bord waren, müssen sie in der einen oder anderen Weise aufgefallen sein.«
»Hast du die Namen auswendig gelernt?« fragte Jorge verwundert.
»Das ist das mindeste, was man tun kann, wenn man an diesem Fall arbeitet«, sagte Sara nadelspitz.
»Die Reise ist bewilligt«, sagte Hultin kurz. »Viggo?«
Als sei es die natürlichste Sache von der Welt, sagte Viggo Norlander: »Wir kriegen noch ein Kind.«
»Aber Viggo, verdammt«, stieß Gunnar Nyberg hervor.
»Astrid ist achtundvierzig.«
»Siebenundvierzig«, korrigierte Norlander. »Und wie alt ist die Dozentin Ludmila?«
»Glückwunsch, Viggo«, sagte Kerstin Holm. »Hör nicht auf diese verbohrten Spießer. Sie sind nur neidisch.«
»Was ist denn das für ein Plural?« sagte Paul Hjelm.
» Woher kommt der?«
»Frauen gratulieren und Männer bedauern«, sagte Sara Svenhagen. »So soll es sein. Glückwunsch,
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