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Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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nicht denken. Leute waren einfach Leute. Aber die muskulösen Männer, praktisch jeder von denen, behandelten einen ziemlich herablassend, wenn man nicht auch muskulös war. Und die Schwächlinge, wenn man die, sagen wir mal, einfach so in einer Kneipe kennenlernte oder wenn man ihnen irgendwann mal vorgestellt würde, dann würde man sie nicht gleich automatisch für Schwächlinge halten. Es lag an der Situation, wegen der man sie als Schwächlinge einordnete. Weil nämlich so viele muskulöse Männer Fitneßcenter leiteten, daß man sofort erwartete, einen muskulösen Mann zu sehen, wenn man durch die Tür hereinkam, und wenn’s dann anders kam, dann sah man das genaue Gegenteil.
    Geordie war froh, daß er irgendwo dazwischen lag. Froh, nicht muskulös zu sein, und auch froh, kein Schwächling zu sein.
    Damit war der Morgen abgehakt. Er zeigte ihnen allen das Foto, das er von dem Video hatte machen lassen. Die Nahaufnahme des Gesichts von dem Monster, das ihr Büro in Kleinholz verwandelt hatte. Bißchen unscharf. Niemand erkannte ihn.
    Er hatte sich mit Janet in dem Künstlercafé in Gillygate zum Mittagessen verabredet, und er war fünf Minuten zu früh dort und trank drei Tassen Kaffee, aber Janet tauchte nicht auf. Sie hatte gesagt, vielleicht würde sie es nicht schaffen, weil sie ein Vorstellungsgespräch für einen Job in einer Buchhandlung hatte, und sie wußte nicht, wann sie dort wegkam. Nach einer Stunde bestellte Geordie sich eine Suppe und ein Brötchen. Er aß allein. Er hatte auch schon allein gefrühstückt, weil Sam letzte Nacht nicht nach Hause gekommen war. Man fühlt sich ganz schön verlassen, wenn einen die Leute verließen. Vielleicht waren sie zusammen abgehauen? Sam und Janet. Hatten ihn allein mit Barney zurückgelassen. Geordie fragte sich, ob Celia nach ihrer Unterhaltung über Gehirne wohl auch verschwunden war. Und Marie. Jeder, den er auf der ganzen Welt kannte. Alle, einfach wie vom Erdboden verschluckt.
    Er bremste sich, die Kellnerin nach Kleingeld fürs Telefon zu fragen. Er hatte einen Job zu erledigen. Gott und die Welt anrufen würde nichts bringen. Wenn sie verschwunden waren, dann waren sie eben verschwunden. Allerdings hatte er Celia heute morgen schon gesehen, also war wenigstens sie noch da.
    Er warf einen Blick auf seine Liste der Fitneßcenter. Das nächste lag um die Ecke in Bootham. So was würde Sam sowieso nicht tun. Oh, er stand auf jüngere Frauen, gar keine Frage. Aber so was würde er Geordie nie antun. Und Janet, sie stand nicht auf ältere Männer. Überhaupt nicht; bei denen bekam sie immer ’ne Gänsehaut. Sie mochte normale junge Männer ihres Alters, die weder besonders muskulös waren noch schmächtig.
    Das Fitneßcenter in Bootham war anders. Der Typ an der Rezeption hatte überhaupt keinen Bock, mit Geordie zu reden, bis Geordie ihm das Foto zeigte. Dann lachte er. «Gog», sagte er.
    «Gog?» wiederholte Geordie.
    «Ja. So wird er genannt. Ist vielleicht ’ne Kurzform von Gordon. Keine Ahnung. Ich hab mal für die gearbeitet, für ihn und seinen Bruder. Die haben einen Laden in Acomb. Heißt The Monster Gym.»
    «Wo genau?» fragte Geordie mit einem Blick auf seine Liste. «Hab ich hier gar nicht stehen.»
    Der Bursche nannte ihm die Adresse. «Sag ihnen, mir geht’s gut, wenn du sie siehst. Besonders dem Blonden, Ben. Der hat mich neulich gefeuert, meinte, ich hätte zu viele persönliche Probleme. Er wird sich echt Sorgen um mich machen.»
    Geordie lachte. «Das ist ironisch», sagte er. «Sie benutzen Ironie.» Er hatte mit Celia den Gebrauch der englischen Sprache geübt, und Ironie war das Letzte, was sie gelernt hatten. Celia hatte gesagt, daß er schließlich den Unterschied zwischen Humor, Witz, Satire, Sarkasmus, Schmähung, Ironie und Zynismus verstehen würde, und Geordie hatte gedacht, sie sei verrückt. Aber vielleicht hatte sie recht. Er hatte gerade eine der Bedeutungen entdeckt.
    Der Typ lachte nicht, fand es überhaupt nicht witzig, daß Geordie seine feine Ironie bemerkt hatte. Er schüttelte bedächtig den Kopf, hatte einen glasigen Ausdruck in den Augen. Er saß hinter der Rezeption und sah aus, als hätte eben eine Taube auf seine Eiscreme geschissen.
     
    In der Gasse vor dem Monster Gym stand nur ein Bursche. Während seiner Zeit auf der Straße hatte Geordie gelernt, sich vor solchen Situationen in acht zu nehmen. Wenn man auf der Straße Fremden begegnete. Besonders, wenn der Fremde ein Junkie ohne Schuß war. Dieses Mal

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