Tiefschlag
nicht noch länger aus.
Nachdem man gefickt worden war oder während man geschlagen wurde, wurde man innerlich ganz taub, filterte es aus.
Denk an das Schweinskotelett oder an das Lamm mit Minzsoße, mit dem der Kerl sich bei dir eingeschleimt hat. An den Wein, die heiße Dusche. An das offene Kaminfeuer, die Musik aus der Stereoanlage. Eine Weile würde man wieder Mensch sein. Jetzt wurde man gekreuzigt. Was sollte man tun? Sich zurücklehnen und an England denken.
Der Kerl bog links in die Zufahrt eines großen Hauses ein. Von der Straße aus konnte man es zu einem großen Teil sehen. Man sah das vom Giebel abfallende Dach, und weiter hinten befanden sich mehrere Mansardenfenster. Geordie hätte gern die Epoche des Hauses in sein Notizbuch geschrieben. Georgia-nisch, zum Beispiel, oder viktorianisch. Aber er wußte es nicht.
Von der Straße wurde das Haus durch alte Eichen und Buchen abgeschirmt. Dazwischen standen verschiedene Ziersträucher, die von einem Gärtner, der offensichtlich einen Vogelfimmel hatte, in Gestalt von Pfauen und Straußen, Truthähnen und Eulen gestutzt worden waren. Geordie wagte sich nicht auf die Zufahrt. Langsam schlenderte er an der Einfahrt mit dem breiten, prächtigen schmiedeeisernen Gitter vorbei. Das Tor stand offen, wurde aber von zwei steinernen Löwen bewacht.
Geordie ging weiter. Das Haus verschwand zunächst außer Sicht, tauchte dann aber aus einer anderen Perspektive durch das Laub wieder auf. Es war ein altes Haus, und die Stufen zur Terrasse und der Eingang waren von riesigen, kunstvollen Steinurnen flankiert. Keine Spur von dem muskulösen Burschen. Geordie wußte nicht, ob er durch den Haupteingang hineingegangen war oder durch einen etwas weniger prächtigen Seiteneingang auf der Rückseite. Geordie selbst hätte sich niemals einem solchen Eingang genähert. Es war einfach nicht drin, daß man ihn dort hineingelassen hätte. Die hatten vielleicht einen Butler oder so, der Geordie mit einem Blick betrachten würde, als sei er irgendwas, das die Katze mit reingebracht hatte.
Als er aus dem Kinderheim weggelaufen war und Arbeit brauchte, hatte Geordie sein Glück bei mehreren Häusern wie diesem versucht. Häuser mit solchen Eingängen. Wenn ein Mann zur Tür kam, sagte man ihm, er solle sich verpissen, und das war dann noch der freundlichste Empfang, den er erwarten konnte. Wenn sie sich wirklich beweisen mußten, hatten sie gedroht, ihm die Hunde auf den Hals zu hetzen oder die Polizei zu rufen. Wenn es eine Frau war, ein Hausmädchen oder eine Köchin oder wie immer die genannt wurden, dann waren sie fürsorglich. Sie sagten vielleicht nein, mit gedämpfter Stimme, und dann deuteten sie an, daß er um das Haus zu einem Nebeneingang gehen sollte. Am Ende bekam er dann eine Scheibe Brot und Marmelade oder auch den Job, das Unkraut im Garten zu jäten oder irgendwelche Steintreppen zu schrubben.
Der muskulöse Typ blieb fast zwei Stunden in dem Haus. Während dieser Zeit passierte nicht viel. Nach ungefähr einer halben Stunde kam ein Auto die Zufahrt herunter, ein weißer Sportwagen, und raste Richtung Stadt davon. Hinter dem Steuer saß eine Frau. Sie hielt an der Einmündung der Zufahrt nicht an, sie legte sich nur einmal kurz auf die Hupe und bog direkt auf die Straße ein. Wenn jemand die Straße heruntergekommen wäre, dann wäre sie voll in ihn hineingekracht. Eine Stunde später kehrte sie zurück. Sie fuhr, als gehöre ihr die ganze Straße. Vielleicht war’s ja auch so? Leute, die in solchen Häusern wohnten, denen gehörte die ganze Welt.
Die Reichen. Geordie haßte sie. Sam haßte sie auch. Celia sagte, es habe keinen Sinn, Menschen zu hassen. Es gebe schon genug Haß auf der Welt. Statt dessen sollten wir lernen, einander zu lieben. Geordie fand, daß Celia wahrscheinlich recht hatte. Aber wenn er Leute aus großen Häusern wie diesem kommen sah und wenn sie fuhren, als gehörte ihnen die ganze Welt, dann haßte er sie einfach.
Schließlich kam der muskulöse Typ wieder raus, und Geordie folgte ihm zurück zum Monster Gym, beobachtete, wie er verschwand, hörte, wie die Schlösser und Riegel einrasteten. Geordie stand in der Gasse und schrieb das alles in sein Notizbuch, die Uhrzeiten und alles. Er lungerte noch eine weitere Stunde dort herum, aber in dem Fitneßcenter rührte sich weiter nichts mehr. Außerdem begann sein Magen zu knurren. Barney würde zu Hause schon auf sein Futter warten, und heute abend hatte er ein Date mit Janet. Zeit,
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