Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
die berühmte Nordwestpassage, zu finden. Als Boot diente ihm die 385-Tonnen-Sloop »Isabella«, die von der Brigg »Alexander« unter dem Kommando von William Edward Parry begleitet wurde. Da man damals noch sehr wenig über die Baffin Bay zwischen Grönland und dem Arktischen Archipel wusste, sollte er zudem den Meeresgrund mit einem Schleppnetz nach Lebewesen absuchen. Bei den ersten Versuchen kam das Netz immer leer nach oben. Ross vermutete, dass die Maschen zu weit sein könnten, und wies den Bordschmied an, eine Greifschaufel in Form einer Muschel anzufertigen. Befestigt an einem Tau ließ er sein neues Spielzeug, die »Tiefsee-Muschel«, schließlich im September 1818 bis zum Meeresgrund in knapp 1.800 Meter Tiefe gleiten und anschließend wieder an Bord holen. Ungläubig untersuchte die Mannschaft den Inhalt. Was sie zu sehen bekam hätte wirklich niemand gedacht: Im Sediment, das sich in der Metallkonstruktion fand, waren Würmer und ein Gorgonenhaupt, ein Vertreter der Schlangensterne. Angeregt durch diesen ersten Fund wurden weitere Versuche in noch größeren Tiefen unternommen. Sogar in rund 2.000 Meter Tiefe fanden sich noch Lebewesen: Krebstiere, Korallen und Muscheln. Die Tiefsee schien also doch kein lebloser Raum zu sein, wie alle bis dahin gedacht hatten.
Leider hatte die Expedition nicht in erster Linie wissenschaftliche Ziele. Der Hauptgrund dafür war ja die Suche nach der Nordwestpassage – die man bei dieser Fahrt allerdings nicht fand. Und so wurde den Funden später keine weitere Beachtung geschenkt. Nach seiner Rückkehr nach London wurde John Ross dennoch zum Kapitän zur See befördert. Zwei weitere Expeditionen in die Arktis sollten noch folgen, bis Ross im September 1851 schließlich mit dem Titel Konteradmiral in den Ruhestand geschickt wurde. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in zunehmender Senilität auf seinem Landsitz in Schottland. Allerdings war es ihm nicht vergönnt, in seiner Heimat zu sterben. Bei einem seiner seltenen Besuche in London tat der inzwischen auch geadelte Sir John Ross seinen letzten Atemzug.
Was ist die Abyssus-Theorie?
Bei der Abyssus-Theorie geht man davon aus, dass mit zunehmender Wassertiefe das Leben in den Ozeanen weniger wird – bis es schließlich ab ungefähr 500 Metern (300 Faden) gar kein Leben in den Weltmeeren mehr gibt. Begründer dieser – heute eindeutig widerlegten – Hypothese ist der britische Naturforscher und Weichtierbiologie Edward Forbes (geb. 12. Februar 1815, gest. 18. November 1854).
Nachdem Forbes sowohl das Studium der Malerei als auch das Studium der Medizin aufgegeben hatte, widmete er sich ab 1832 intensiv der Naturforschung. 1833 unternahm er eine botanische Exkursion nach Südnorwegen und erforschte 1834 die Irische See. 1837 beschäftigte er sich in Algerien mit Süßwasser-Mollusken und veröffentlichte auch sein erstes Buch zu diesem Thema. Wirklich entscheidend für die Tiefseeforschung waren allerdings seine Mittelmeer-Expeditionen in der Gegend von Piräus und Malta an Bord der HMS Beacon. Dieses ursprünglich 1823 als HMS Meteor gewasserte Schiff wurde seit 1832 für Forschungsfahrten eingesetzt.
Zwischen 1841 und 1842 kreuzte die HMS Beacon im Mittelmeer zwischen Piräus und Malta und Forbes widmete sich intensiv der Suche nach Leben im Meer. Mit Hilfe einer kleinen Lederdredsche (einer Art Schleppnetz) holte er unzählige Tiere aus Tiefen zwischen zwei und 400 Metern an Bord der Beacon und untersuchte sie genauer. In der Folge teilte er das Meer in acht Tiefenzonen ein, denen er jeweils eine eigene Fauna zuordnete. Da bei tieferen Dredsch-Versuchen immer weniger Tiere in seiner grobmaschigen Dredsche landeten, folgerte er, dass ab ca. 500 Metern Tiefe kein Leben mehr existieren konnte. Dieser Lebensraum sei also azoisch. Als er – zurück in London – seine Abyssus-Theorie einer breiten Öffentlichkeit vorstellte, stieß er auf offene Ohren. Natürlich erschien es jedermann logisch, dass sich in diesen dunklen, unwirtlichen Lebensräumen kein Leben finden würde.
Als Folge seiner Erkenntnisse wurde Forbes zum Kurator des Museums der Geologischen Gesellschaft in London (Geological Society of London) bestellt. 1842 bekam er darüber hinaus seine erste Professur am King's College in London und wurde 1844 Paläontologe des British Geological Survey. Als Höhepunkt seiner Laufbahn wurde er schließlich kurz vor seinem Tod noch zum Präsidenten der Geological Society of London ernannt und bekam einen
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