Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
Erkenntnisse im Zuge der Verlegung der Tiefseekabel brachten die Grundfesten von Forbes Lehrmeinung über die azoischen Tiefen gehörig ins Wanken.
Um übrigens auch noch die Geschichte der Telegrafenkabel fertig zu erzählen: Ab 1866 sicherte eine zuverlässige Telegrafenverbindung die Kommunikation zwischen Europa und den USA .
Wann fand die erste Tiefsee-Expedition statt?
Gemeinhin wird in der langen Geschichte der Tiefsee die Challenger-Expedition als die erste Tiefsee-Erkundungsmission bezeichnet. Allerdings fand bereits vier Jahre zuvor, genauer gesagt 1868, die erste von der britischen Royal Society finanzierte Tiefsee-Erkundung statt. Anlass dazu gab das Drängen des schottischen Zoologen Charles Wyville Thomson (geb. 5. März 1830, gest. 10. März 1882), der mit George Ossian Sars, dem norwegischen Meeresbiologen befreundet war und die Arbeit dessen Vaters in der Tiefsee sehr genau verfolgte. Als Michael Sars 1868 eine Liste von 427 Tiefsee-Lebewesen, die er gefunden und katalogisiert hatte, veröffentlichte, schrieb Thomson seinem Freund William B. Carpenter, dass es in der Tiefsee scheinbar eine Art »Zeitkapsel« zu geben scheint, in der Urzeit-Tiere überlebt hätten. Und diese gelte es zu finden und zu erforschen.
Nachdem Thomson und Carpenter die britische Admiralität und die Royal Society von der Wichtigkeit der Forschung in der Tiefsee überzeugt hatten – und sie mit der Vorherrschaft Großbritanniens in den Weltmeeren gelockt hatten – stellte man ihnen 1868 ein Forschungsschiff zur Verfügung. Wie sehr man an die Wichtigkeit der Expedition glaubte, zeigt die Tatsache, dass das ihnen überlassene »Forschungsboot« HMS Lightning das wohl älteste, ausgediente Kanonenboot im gesamten Königreich war. Während der Fahrt vor der schottischen Küste verbrachten sie mehr Zeit damit, Lecks zu flicken und Wasser zu schöpfen, als ihre Forschungen voranzutreiben. Dennoch gelangen ihnen faszinierende, aufregende Funde mit ihrer Dredsche. Im Netz landeten Schlangensterne, Glasschwämme, Seefedern, Seegurken, Seelilien, Krebse und viele weitere, seltsame Lebewesen, die sie aus den Tiefen des Atlantiks an Bord des Seelenverkäufers hieven konnten.
Angeregt durch diese ersten Funde, baten die beiden die Admiralität um ein besseres Schiff – und bekamen es auch. Die zum Forschungsschiff umgebaute HMS Porcupine (englisch für Stachelschwein), ein ehemaliges Vermessungsschiff, war zwar klein, aber aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit bestens ausgerüstet. Des Weiteren waren Kapitän und Mannschaft mit dem Meeresboden vor der Ostküste Großbritanniens bestens vertraut und auch bereits wissenschaftliches Arbeiten gewohnt. In den Jahren 1869 und 1870 führten insgesamt vier Forschungsfahrten die HMS Porcupine entlang der Küste Großbritanniens bis nach Spanien und weiter ins Mittelmeer.
Bei diesen Fahrten konnten Thomson und Carpenter u.a. feststellen, dass in der Tiefsee ein Wasseraustausch stattfindet, der durch Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt entsteht. Damit hatten die beiden im Grunde das Prinzip der Meeresströmungen entdeckt. Durch diese Strömungen musste zudem Sauerstoff in die Tiefe transportiert werden, was bedeutet, dass auch in extremen Tiefen Leben möglich sein muss. Die aus Tiefen von 1.000 bis 2.000 Meter an die Oberfläche gebrachten Meereslebewesen bestätigten diese Annahme auch noch. Thomson war begeistert von seinen Funden.
Der Höhepunkt der Expedition erfolgte schließlich am 22. Juli 1869. Während eines fünfstündigen Dredschvorgangs wurde in einer Tiefe von 4.289 Metern gearbeitet. Als das Netz wieder an Bord war, hatte man einerseits 69 Kilogramm Tiefseeschlamm geladen, andererseits aber auch unzählige Tiere gefunden. Darunter Würmer, Plankton, Glasschwämme und Stachelhäuter. Die azoische Lehrmeinung von Forbes konnte nun endgültig nicht mehr bestehen. Thomson und Carpenter hatten einen fundamentalen Durchbruch geschafft.
Aufgrund des Riesenerfolgs ihrer Expedition, wurde Thomson in Folge mit der Ausrichtung einer weiteren Tiefsee-Expedition betraut: jene der HMS Challenger, die in jedem Buch zum Thema Tiefsee als die Urmutter aller Tiefseeforschung bezeichnet wird. Doch ohne die Leistung des kleinen Stachelschweins und des Seelenverkäufers Lightning hätte wohl niemand die Challenger auf Weltreise geschickt.
20.000 Meilen unter dem Meer
Die Diskussionen um Leben in der Tiefsee drangen auch zum bereits renommierten französischen Schriftsteller Jules-Gabriel
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