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Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten

Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten

Titel: Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Ochsenbauer
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sofort in den Arm genommen. Wie es scheint, dürfte er schon etliche Piña Coladas zu viel getrunken haben – zumindest vermute ich das, als er unverhofft seinen Kopf an meine Schulter presst.
    »Ich will nicht Boot fahren!« Aus den Augen von John funkelt mir das blanke Entsetzen entgegen. Wie sich im Laufe des folgenden Gesprächs herausstellt, unterrichtet John normalerweise an der Universität von Massachusetts in Amherst Ingenieurswissenschaften. Hauptsächlich beschäftigt er sich dabei mit dem Thema Brennstoffzellen für Autos. Seitdem seine Kollegen vom Fachbereich Physik und Astronomie jedoch im Frühjahr 2007 550 Millionen US -Dollar an Forschungsgeldern von der National Science Foundation zugesprochen bekommen haben, wird sein Universitätsbereich immer mehr auf Sparflamme gefahren.
    »Und diese Riesensumme nur dafür, um herauszufinden, was passiert, wenn zwei Schwarze Löcher im Weltall aufeinanderprallen. Wenn wir nur einen Bruchteil dieses Budgets hätten, könnten wir Brennstoffzellen bauen, die ein modernes Elektroauto rund um den Erdball schicken, ohne auftanken zu müssen«, steigert sich John in seinen Frust. Da war er wieder – unser Ausgangspunkt in Wien. Warum geben die Leute nur so viel Geld für den Blick in den Weltraum aus, und so wenig für die Erforschung unseres eigenen Planeten? Sogar Cameron hat, kaum dass er aus den Tiefen des Marianengrabens wieder an die Oberfläche zurückgekehrt war, sofort einen Vertrag mit einem US -amerikanischen Unternehmen geschlossen, Rohstoffe im Weltraum abzubauen. Er beteiligte sich am Unternehmen Planetary Resources, die planen, Asteroiden im Weltall zu »kapern«, in die Erdumlaufbahn zu schleppen und anschließend auszubeuten. Laut Studien der NASA würde ein solches Unterfangen locker mal 2,6 Milliarden US -Dollar kosten. Wohlgemerkt: um einen einzigen Asteroiden mit einem Durchmesser von sieben Metern abzuschleppen. Aber für solche Vorhaben gibt es scheinbar Geld. Für die Forschung von John – und vielen anderen Wissenschaftlern auf unserem Planeten, allen voran den Meereswissenschaftlern – nicht.
    Wenn man sich überlegt, dass eines der berühmtesten bemannten Tauchboote unseres Planeten, die ALVIN , nur 575.000 US -Dollar gekostet hat, als sie 1964 vom Stapel lief, und bis heute immer noch brav ihren Dienst verrichtet, sind die Summen, die alljährlich für die Weltraumforschung ausgegeben werden wirklich absurd. Habe ich laut gedacht? John unterbricht mich plötzlich: »Die ALVIN , die ist ja genau mein Problem. Mit der soll ich übermorgen am Rand des Marianengrabens abtauchen. Und das nur, damit ich persönlich dabei bin, um im Bereich der hydrothermalen Quellen in diesem Gebiet eine Bakterienart zu untersuchen, die als biologische Brennstoffzelle Wasserstoff in Energie für ihre Wirte umwandelt. Muscheln und Röhrenwürmer können durch diese kleinen Helferlein in über 3.000 Metern Tiefe überleben.«
    Ursprünglich wurde diese Art von Bakterium von Forschern des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie und ihren Kollegen von der Universität Bremen am Logatchev-Hydrothermalfeld im Bereich des Mittelatlantischen Rückens entdeckt. John erzählt uns, dass auch im Pazifik solche Bakterien vermutet werden. Bei der Ansammlung an Schwarzen und Weißen Rauchern im Bereich des Marianengrabens würde uns das nicht wundern. Und nun soll er dort hinuntertauchen, obwohl er noch nie in seinem Leben ein Boot betreten hat. Keine gute Idee, gar keine gute Idee.
    »Kommt doch mit – ich bin mir sicher, ich kann euch an Bord bringen.«
    Marcus und ich starren uns an. Damit hätten wir ja nun gar nicht gerechnet. Einige Bier – und Piña Coladas für John – später, ist es beschlossene Sache. Samstag früh, kurz vor 6.00 Uhr, sollen wir uns am Pier 3 des lokalen Hafens Apra Harbor einfinden, um an Bord der R/V Atlantis zu einer Tauchfahrt in den Marianengraben aufzubrechen. John würde dafür morgen bei seinen Kollegen der Woods Hole Oceanographic Institution ein gutes Wort einlegen. Ohne uns, so meint er abschließend, würde er diese Fahrt sowieso nicht überleben.
    Als wir die Bar verlassen, scheint der Mond gerade zur Hälfte im Pazifik zu versinken. Die dunkle Wolkenwand vom Nachmittag hat sich inzwischen noch mehr verdichtet und schickt uns einen kurzen Regenschauer. Ob das alles eine gute Idee war?
    Guam, Marianen-Archipel, Pazifik
    Samstag, 16.36 Uhr
    Jetzt kauere ich hier in dieser kleinen Titan-Kapsel, in der bereits Generationen von

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