Tiefsee
erholt hatte, um sich an dem Liegestuhl festzuhalten.
»Ich kümmere mich schon um sie«, versicherte Giordino. »Du solltest Loren helfen. Ich glaube, den Senator hat es erwischt.«
Pitts Arme fühlten sich an, als wären sie mit Blei gefüllt, und er war vor Erschöpfung betäubt, doch er durchfurchte das Wasser mit gleichmäßigen Stößen, bis er das schwimmende Treibgut erreichte, an dem sich Loren und Larimer festhielten.
Lorens Gesicht war aschfahl und ihre Augen traurig, während sie den Kopf des Senators über Wasser hielt. Pitt erkannte bedrückt, daß sie sich die Mühe hätte sparen können; Larimer würde nie mehr im Senat sitzen. Seine Haut war fleckig und wurde jetzt dunkelrot. Er hatte sich bis zuletzt tapfer gehalten, aber ein halbes Jahrhundert flotten Lebens hatte die unvermeidlichen Folgen gezeitigt. Sein Herz hatte die Grenzen seiner Belastbarkeit überschritten und schließlich aus Protest seine Tätigkeit eingestellt.
Pitt löste Lorens Hände sanft vom Körper des Senators und schob ihn zur Seite. Sie sah ihn verständnislos an, als wollte sie protestieren, dann wandte sie sich ab, weil sie unfähig war zuzusehen, wie Larimer sanft schaukelnd langsam davontrieb.
»Er hätte sich ein Staatsbegräbnis verdient«, flüsterte sie heiser.
»Darauf kommt es nicht an, solange man weiß, daß er wie ein Mann gestorben ist.«
Das akzeptierte selbst Loren. Sie lehnte den Kopf an Pitts Schulter, und die Tränen auf ihren Wangen vermischten sich mit dem Salzwasser.
Pitt blickte sich um. »Wo ist Moran?«
»Er wurde von einem Marine-Hubschrauber aufgefischt.«
»Er hat dich im Stich gelassen?« fragte Pitt ungläubig.
»Der Mann im Hubschrauber schrie, daß er nur noch für eine Person Platz hatte.«
»Der ruhmreiche Sprecher des Repräsentantenhauses hat also eine Frau, die einen sterbenden Mann stützte, im Stich gelassen, während er sich selbst rettete.«
Pitts Abneigung gegen Moran schwelte auf kalter Flamme. Er war von dem Wunsch besessen, dem kleinen Frettchen seine Faust ins Gesicht zu knallen.
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Kapitän Pokofsky saß in der Kabine des Motorbootes, die Hände an die Ohren gepreßt, um die schrecklichen Schreie: der Ertrinkenden und das Gebrüll der anderen nicht zu hören, denen die Brandwunden schreckliche Qualen verursachten. Er konnte sich nicht dazu entschließen, die unbeschreiblichen Schreckensszenen mitanzusehen oder anzuschauen, wie die
Leonid Andrejew
zweitausend Faden tief auf den Meeresgrund hinabsank. Er war ein lebender Leichnam.
Seine glasigen, teilnahmslosen Augen blickten zu Gejdar Ombrikow auf. »Warum haben Sie mich gerettet? Warum haben Sie mich nicht mit meinem Schiff untergehen lassen?«
Es war Ombrikow klar, daß Pokofsky unter einem schweren Schock stand, doch er empfand nicht das geringste Mitleid mit: dem Mann. Ein KGB-Agent war darauf geschult, den Tod zu akzeptieren. Die Pflicht war wichtiger als Rücksicht oder Mitleid.
»Ich habe keine Zeit für Rituale zur See«, sagte er kalt. »Der edle Kapitän, der auf der Brücke steht und vor der Flagge, salutiert, während sein Schiff unter ihm sinkt, ist einfach Mist.
Der Staatssicherheitsdienst braucht Sie, Pokofsky, und ich brauche Sie, um die amerikanischen Abgeordneten zu identifizieren.«
»Sie sind vermutlich tot«, murmelte Pokofsky geistesabwesend.
»Dann werden wir es beweisen müssen«, fuhr ihn Ombrikow rücksichtslos an. »Meine Vorgesetzten werden nur die einwandfreie Identifikation ihrer Leichen akzeptieren. Wir müssen auch die Möglichkeit ins Auge fassen, daß sie noch leben und im Wasser schwimmen.«
Pokofsky schlug die Hände vors Gesicht und zitterte. »Ich kann nicht –«
Bevor er die Worte ausgesprochen hatte, riß ihn Ombrikow grob auf die Füße und schob ihn auf das offene Deck hinaus.
»Zum Teufel mit Ihnen!« brüllte er. »Suchen Sie sie!«
Pokofsky biß die Zähne zusammen und starrte auf die entsetzliche Wirklichkeit der schwimmenden Wrackteile und der Unmenge um ihr Leben kämpfender Männer, Frauen und Kinder. Er würgte einen Laut tief in seinem Inneren ab, und sein Gesicht wurde bleich.
»Nein!« schrie er. Er sprang so schnell und unerwartet über die Reling, daß weder Ombrikow noch seine Matrosen ihn zurückhalten konnten. Er tauchte sofort tief unter, bis das Weiß seiner Uniform von oben nicht mehr zu erkennen war.
Die Boote des Containerschiffs fischten so viele Überlebende so schnell heraus, wie sie sie erreichen und an Bord nehmen konnten, dann lieferten
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