Tiefseeperle
Lektorin in den Sinn, die sich manchmal fragte, wieso man manche Fehler erst nach der Druckfreigabe sah, dann jedoch auf den ersten Blick. Das menschliche Auge und Gehirn schien dem Betrachter wohl öfter einen Streich zu spielen.
Ihr Herz klopfte, und trotz der Klimaanlage schwitze sie. Die Ledersitze klebten an ihren nackten Beinen. Sie hätte vielleicht doch nicht diese Hotpants anziehen sollen. Aber es sah mit ihren langen schlanken Beinen extrem sexy aus. Auch die Bluse spannte etwas über ihren Brüsten, da der Schnitt sehr figurbetont ausgelegt war. Das Outfit und auch ihre heutige Frisur lehnten sich wieder an den Look der Sechziger an. Sie wusste, dass Maximilian diesen Stil liebte, und sie wollte ihm trotz allem gefallen.
Ein Blick in den Spiegel offenbarte trotz sorgfältig aufgetragenem Make-up Augenringe. Die aufreibende Zeit, insbesondere der letzten Tage, hatten ihre Spuren hinterlassen. Fast eine Woche war nun nach der Anhörung vergangen, und genau so lange hatte sie mit sich gerungen.
Ihre Gefühlswelt war völlig durcheinander. Wut, Enttäuschung, Liebe, Erleichterung, Trauer, Freude – es gab nicht eine Art von Emotion, die sie nicht durchlebt hätte.
Maximilian von Bredow, ihr 100 %-Match, war auch ihr geheimnisvoller Liebhaber. Aber war denn diese Erkenntnis wirklich so überraschend? Plötzlich fielen ihr viele Dinge ein, die diese Übereinstimmung quasi dokumentierten. Der Körperbau, die Stimme, die Art, wie er sie berührte, wie er sich bewegte und die wunderbaren dunklen Augen. Sie seufzte laut. Von wegen der Bruder. So sicher war sie sich nach diesem letzten Treffen gewesen.
Einfacher hätte das die Angelegenheit allerdings auch nicht gemacht. Niemals wäre sie auf die eigentliche Wahrheit gekommen – diese war zu absurd. Victoria war verletzt. Sie verstand nicht, warum er dieses Spiel über Wochen gespielt hatte. Ein, zwei Tage - ja vielleicht. Aber von Mai bis August?
Doch hatte sie nicht auch dazu beigetragen, dass es sich über einen solch langen Zeitraum zog? Im Grunde hatte sie Maximilian auch immer ein wenig auf Distanz gehalten; fand es nicht verwunderlich, dass, wenn der Graf sie einlud, er stets auf Reisen war, sie hatte es eher als Fügung des Schicksals betrachtet; wusste manchmal ja selbst nicht, wie es um ihre Gefühle stand, was sie wollte.
Wenn sie von Anfang mehr an Maximilians Leben hätte teilnehmen wollen, wäre das alles schon viel früher aufgeflogen. Nicht einmal war sie auf die Idee gekommen, ihn nach seinem Landsitz zu befragen oder gar darauf zu bestehen, ihn dort zu besuchen. Was aber in aller Welt hatte ihn dazu bewogen, so etwas zu inszenieren?
Um für sich diese Antwort zu finden, war sie nun heute nach Gut Bredow gekommen. Auch wollte sie wissen, was es mit dem geheimnisvollen Ring ohne Stein auf sich hatte. Dann natürlich die entscheidende Frage: Wie würde es mit ihnen weitergehen? Würde es überhaupt noch ein ‚wir‘ geben können?
Sie liebte Maximilian, sie begehrte und verehrte auch den Grafen, und in ihren Träumen schien es vor einigen Wochen nichts Schöneres gegeben zu haben, als dass man diese beiden Männer vereinte – doch die Realität sah ganz anders aus.
Eine junge Frau öffnete ihr die große Eingangstür. Die Halle wirkte ungewohnt ruhig und gediegen. Nichts ließ auf die sonst so explosive und erotische Stimmung schließen.
„Bitte folgen Sie mir in die Privaträume“, sagte sie und ging durch die Halle voran, um der Besucherin dann an der linken Seite durch eine große Tür zu geleiten. Victoria war diese vorher noch nie aufgefallen. Vic atmete tief ein und aus. Seine Privaträume? Unfassbar ..
Sie liefen durch einen breiten Flur und wieder durch eine breite Tür, und plötzlich standen sie in einem großen, hellen Raum.
„Herr von Bredow kommt gleich. Nehmen Sie bitte Platz, gern auch auf der Terrasse.“
Die Angestellte war äußerst höflich. Victoria bedankte sich und schaute sich um. Eine ausladende Sitzlandschaft, hochwertige Schrankwände zur rechten Seite und am Ende des Raumes ein breiter Glasschreibtisch mit drei Laptops. Die Bilder an den Wänden ließen auf den Kunstverstand des Besitzers schließen. Lange transparente Vorhänge bewegten sich im Sommerwind, der durch die geöffnete Terrassentür wehte. Alles war, wie zu erwarten, teuer und geschmackvoll.
Victoria schritt hinaus. Sie atmete die Düfte ein. Es roch nach gemähtem Gras. Vögel zwitscherten, in der Ferne kläffte ein Hund, sonst war es
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