Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
umrahmten ihn. Sternförmig gingen Gehwege von ihm ab, auf denen es sich traumhaft lustwandeln ließ. Es war ein Ort der Ruhe und Entspannung, ein Quell zum Auftanken, der jeden in seinen Bann zog, der sich dem weichen Plätschern der kleinen Fontäne hingab.
Seine Schritte knirschten auf dem Sand, und er bemühte sich, Giovanna nicht zu stören. Sie hatte es sich auf der Bank bequem gemacht und hielt das Gesicht in die Sonne. Die Brille ließ nicht erahnen, ob sie ihn sah oder ob sie die Augen verschlossen hielt.
Kilian setzte sich zu ihr und beobachtete sie in der kurzen Zeit, die ihm bleiben würde, bevor sie ihn bemerkte.
Sie war schön. Nicht einfach nur hübsch, sie besaß Stil und Anmut. Die hohen Wangenknochen verliehen ihrem schmalen Gesicht Eleganz. Die Nase war gerade, die Lippen waren exakt geformt und mit einem zarten Rot gezeichnet.
Ihr schwarzbraunes Haar glänzte in der Sonne – es war ein Anblick, den Kilian nicht so schnell vergessen sollte, fast ein Kunstwerk.
»Kaum zu glauben, dass ihr Deutschen so etwas zustande bekommen habt«, sagte Giovanna unvermittelt und ohne sich zu bewegen.
Kilian fühlte sich ertappt. »Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie nicht stören.«
»Haben Sie auch nicht. Ich genieße es, in einer perfekten Umgebung mit dem passenden Mann die Sonne und die Ruhe zu genießen.«
Giovanna nahm die Brille ab, schlug ihre rehbraunen Augen auf und lächelte ihn an.
»Keine Sorge, commissario. Sie haben nichts zu befürchten. Noch nicht.«
»Schade«, antwortete Kilian. »Ich hätte mich gefreut.«
»Die Arbeit zuerst, dann das Vergnügen.«
»Klingt ziemlich deutsch.«
»Auch die Deutschen haben etwas, wovon wir lernen können.«
»Nicht gerade schmeichelhaft. Arbeit. Ist das alles?«
»No, da gibt es noch ein paar andere Dinge. Aber auch dafür ist nicht die Zeit und nicht der Ort.«
»Da kann ich Abhilfe schaffen. Ich kenne dort drüben einen kleinen Weg, der vor der Sonne geschützt liegt.«
Er stand auf und reichte ihr die Hand. Giovanna zögerte, wusste nicht, was er vorhatte.
»Kommen Sie. Vertrauen Sie mir.« Giovanna stand auf und nahm seine Hand.
»Was haben Sie vorhin gemeint mit ›Was wir Deutschen zustande bekommen haben‹?«, fragte Kilian.
»Alles hier. Die Residenz, die Gärten, die Lust am Leben.«
»Ist das so selten bei uns?«
»In diesen Tagen bestimmt. Ihre Vorfahren hatten da wohl ein anderes Weltbild.«
»Wir haben gelernt. Die Italiener haben uns gezeigt, wie es geht.«
»Charmant, commissario.«
Sie gingen ein Stück des Weges hinauf, ohne dass sie sprachen. Vereinzelt brach das Sonnenlicht durch das Blattgewirr und warf einen Schimmer auf Giovannas Haar. Kilian konnte nicht anders, als es zu bewundern.
»Hab ich was auf dem Kopf, oder wieso starren Sie mich so an?«
»Keines von beidem. Ich bewundere nur Ihre Ausstrahlung. Sie machen auf mich den Eindruck einer selbstbewussten, schönen und gebildeten Frau, die sich dessen auch bewusst ist.«
»Und das jagt Ihnen keine Angst ein? Bei mir zu Hause würden jetzt viele Männer feuchte Hände und einen schnellen Herzschlag bekommen.«
»Beim beschleunigten Herzschlag geht es mir nicht anders. Doch nicht aus Angst.«
»Sondern?«, wollte Giovanna wissen und blieb an der Balustrade stehen. Neben ihr stand eine Putte, die süßen Wein aus einem Becher trank.
»Weil ich Respekt vor Frauen wie Ihnen habe.«
Giovanna zögerte, brach dann aber in schallendes Gelächter aus.
»Bravo, commissario«, sagte sie, »Sie sind ja so gut wie unsere Jungs in Rom. ›Weil ich Respekt vor Ihnen habe‹, das ist gut.«
Wieder lachte sie. Kilian bemühte sich, ernst zu bleiben, doch es half nichts, er stimmte in ihr Lachen ein.
Giovanna beruhigte sich und ging einen Schritt auf Kilian zu. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn an sich heran.
»Auch wenn es eine Lüge war, es war eine schöne, sehr schöne Lüge.«
Kilian spürte ihre Lippen, weich und fest, als wären sie ein Vorgeschmack auf mehr. Doch er löste den Kuss. Giovanna schaute ihn verwundert an.
»Che cosa fai?«, fragte sie überrascht. »Hab ich etwas falsch gemacht?«
Kilian schritt zurück. Das war eine Verdächtige und keine x-beliebige Liebschaft, die er ohne Bedenken einfach so küssen durfte. Schröders Worte ›Du wirst zum Sicherheitsrisiko‹ gingen ihm durch den Kopf. Anscheinend hatte er Recht.
»Nein, nein«, beruhigte er sie, »du hast nichts falsch gemacht. Aber ich kann dich nicht einfach so
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