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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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konnten ihn um 7 Uhr aus seiner todesgleichen Ruhe holen. Erst ein Kellner aus dem Frühstücksservice rüttelte und schüttelte ihn ins Leben zurück. Eine kurze Dusche und ein flüchtiger, schmerzhafter Blick in den Spiegel waren seine ganze Morgentoilette.
    Kilian stolperte über die holprigen Steine des Parkplatzes auf die Eingangstür der Residenz zu. Bauarbeiter schafften Traversen, Bretter und Bauschutt heraus. Mit einem Scheppern und Knallen landete das Zeug auf der Ladefläche eines kleinen LKWs. Kilian hielt sich die Ohren zu, als er an ihnen vorbeieilte und sich die Stufen im Treppenhaus hochquälte.
    »Das Meisterwerk zeigt auf 32 mal 18 Metern die damalige Welt aus barocker Sicht«, referierte Giovanna.
    An ihrer Seite hörte ihr ein Mann in Anzug und mit grauen Schläfen aufmerksam zu. Er war um die fünfzig Jahre alt, gepflegt und trug eine vornehme Bräune zur Schau. Er genoss es sichtlich, von ihr das Deckenfresko erklärt zu bekommen. Giovanna war, wie üblich, wie aus dem Ei gepellt. Nur ihre Augen schienen müde. Doch sie machte es wett, indem sie öfter ihr makelloses Lächeln einsetzte und somit den Blick des Betrachters verführte.
    Als sie Kilian erblickte, lächelte sie ihm zu und wies ihn mit einer verdeckten Handbewegung an, Abstand zu halten. Kilian reagierte dementsprechend und schaute ebenfalls nach oben, als wäre er ein Tourist. Er folgte den beiden, die langsam die Stufen nach oben gingen.
    »Was Sie hier sehen, ist das größte frei hängende Deckenfresko der Welt. Es stellt die vier Kontinente Europa, Afrika, Asien und Amerika dar«, fuhr Giovanna fort. »Sie wurden mit zum Teil barbusigen Frauen, landestypischen Tieren und mit allem, was man um 1750 mit ihnen in Verbindung bringen konnte, prachtvoll dargestellt. Am Treppenende, dort wo die fürstbischöflichen Hausherren früher die weniger geneigten Besucher empfingen, sitzt die Jungfrau Europa vor einem Stier. In seine Gestalt hatte sich der lüsterne Gottvater Zeus verwandelt, um der ahnungslosen Königstochter Europa nachzustellen. Um die beiden herum Figurengruppen, die Europa als Zentrum des christlichen Glaubens und der Künste verankern. Darunter lehnt der Architekt der Residenz und frühere Glockengießer Balthasar Neumann an einem Kanonenrohr. Rechts an seiner Seite Antonio Bossi, der kongeniale Stuckateur, der alle Arbeiten im Treppenhaus und insbesondere im anschließenden Weißen Saal in kürzester Zeit erledigte. Links hinten in der Ecke des Freskos bescheiden und kaum auffällig der Meister selbst, Giovanni Battista Tiepolo, im roten Wams und mit weißer Feder an der venezianischen Kappe. Hinter ihm wahrscheinlich einer seiner beiden Söhne, die ihm bei der Arbeit geholfen hatten. Sehnsüchtig verliert sich Tiepolos Blick in der Europa oder ruht auf dem Fürstbischof Greiffenclau, der keine Mühen und Kosten gescheut hatte, den damals berühmten und besten Freskenmaler nach Würzburg zu holen. Tiepolo verstand es wie kein Zweiter, mit dem Auge des Betrachters zu spielen. Bei ihm wusste man nie, was nun gemalt oder was tatsächlich dreidimensional war. Sehen Sie dort die Dogge neben Neumann auf dem Sockel?«
    Der Mann nickte.
    »Ich wette, Sie haben Mühe zu sagen, ob die Dogge dreidimensional oder gemalt ist?«
    Der Mann schaute genauer hin. Er ging ein paar Schritte vor, dann wieder zurück, um schließlich ahnungslos mit dem Kopf zu schütteln. Kilian erging es genauso. Auch er konnte nicht definitiv sagen, ob die Dogge tatsächlich als Skulptur auf dem Sockel stand, oder ob sie genial mit Schattenwurf und Pinsel an die Decke gemalt war.
    »Tiepolo war ein Künstler der Illusion«, erlöste sie den Mann an ihrer Seite. »Die Dogge ist gemalt.«
    »Und was ist mit dem Gerüst, das dort neben der Darstellung des Fürstbischofs hängt?«, fragte der Mann.
    »Es dient zur Aufzeichnung und zum Vermessen des Freskos. Erst wenn alle Arbeiten abgeschlossen sind, können wir mit einem Gerät von dort oben aus feststellen, ob sich Veränderungen an der Decke ergeben haben«, antwortete Giovanna. »Bis dahin muss es hängen bleiben. Aber es wird rechtzeitig abgebaut, damit zum Beginn des Festes am Samstag alles in wunderbarer Ordnung ist.«
    Giovanna und ihr Gast standen in der Tür zum Weißen Saal. Kilian spielte nach wie vor den neugierigen Touristen. Ab und an stieß er ein ›Ahh‹ und bewunderndes ›Ohh‹ aus. Giovanna verkniff sich ein Lachen und wies ihn immer wieder mit einer versteckten Handbewegung an, Abstand

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