Tierarzt
aus dem Nebenzimmer. Sie war fertig zum Ausgehen angekleidet, und hinter ihr kamen ihre beiden halbwüchsigen Kinder, ein Sohn und eine Tochter.
»Mr. Herriot will deinen Wein nicht«, sagte sie schroff. »Wenn du doch bloß die Leute nicht so belästigen würdest!«
Der Junge grinste. »Vater und sein Wein! Er sucht immer neue Opfer.« Seine Schwester stimmte in das Gelächter ein, und ich hatte das unbehagliche Gefühl, Mr. Crump sei in seinem eigenen Heim ein Außenstehender.
»Wir gehen ins Gemeindehaus zu einer Schüleraufführung, Mr. Herriot«, sagte die Frau energisch. Ohne ihren Mann noch eines Blickes zu würdigen, verließ sie mit ihren Kindern das Haus.
Es herrschte Schweigen, doch als ich meine Hände fertig abgetrocknet hatte, wandte ich mich an den Bauern. »Nun, wie steht’s mit dem Wein, Mr. Crump?«
Er zögerte einen Augenblick, und der überraschte Ausdruck vertiefte sich. »Wollen Sie... wollen Sie wirklich einen Schluck probieren?«
»Sehr gern. Ich habe noch nicht zu Abend gegessen – ein Aperitif ist mir sehr willkommen.«
»Setzen Sie sich, ich bin gleich wieder da.« Er verschwand in der großen Vorratskammer neben der Küche und kehrte mit einer Flasche und zwei Gläsern zurück.
»Dies ist mein Rhabarberwein«, sagte er und füllte die Gläser mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
Ich nahm einen kleinen Schluck, dann einen großen und rang nach Luft, als der Wein mir wie Feuer durch die Kehle lief.
»Ziemlich starkes Zeug«, sagte ich, »aber der Geschmack ist ausgezeichnet. Wirklich ausgezeichnet.«
Mr. Crump betrachtete mich wohlgefällig, als ich einen weiteren Schluck trank. »Ja, er ist gerade richtig. Knapp zwei Jahre alt.«
Ich leerte das Glas, und diesmal spürte ich kein Brennen, sondern der Wein schien die Wände meines leeren Magens zu umspülen und glühende Ranken an meinen Gliedern entlangkriechen zu lassen.
»Köstlich«, sagte ich. »Einfach köstlich.«
Der Bauer blühte sichtlich auf. Er füllte abermals die Gläser und sah mit gespannter Aufmerksamkeit zu, wie ich trank. Als wir das zweite Glas geleert hatten, sprang er auf.
»Nun müssen Sie zur Abwechslung noch eine andere Sorte probieren.« Er lief in die Vorratskammer und brachte eine weitere Flasche an, diesmal mit einer farblosen Flüssigkeit. »Holunder«, sagte er leicht außer Atem.
Als ich den Wein probierte, perlten und tanzten die Blasen auf meiner Zunge.
»Bei Gott, der ist großartig! Genau wie Champagner. Ich muß sagen, Sie sind wirklich ein Künstler – ich hätte nie gedacht, daß hausgemachte Weine so gut schmecken können.«
Mr. Crump starrte mich einen Augenblick an, dann begannen seine Mundwinkel zu zucken, und ein schüchternes Lächeln breitete sich langsam über sein Gesicht. »Sie sind praktisch der erste, der das sagt. Man könnte meinen, ich wollte die Leute vergiften, wenn ich ihnen meinen Wein anbiete – sie winken immer erschreckt ab, aber Bier und Whisky trinken sie jede Menge.«
»Aber die ahnen ja nicht, was sie versäumen, Mr. Crump.« Ich sah zu, während der Bauer wieder mein Glas füllte. »Ich hätte nie geglaubt, daß man etwas so Gutes zu Hause machen kann.« Ich nippte anerkennend an dem Holunderwein. Er schmeckte noch immer wie Champagner.
Ich hatte das Glas kaum zur Hälfte geleert, als ich Mr. Crump abermals in der Vorratskammer herumhantieren hörte. Er kam mit einer Flasche zurück, deren Inhalt von einem tiefen Rubinrot war. »Probieren Sie den«, sagte er atemlos.
Allmählich kam ich mir wie ein berufsmäßiger Weinschmecker vor, und ich behielt den ersten Schluck mit halbgeschlossenen Augen genießerisch lange im Mund. »Mm, mm, ja. Schmeckt ganz wie ein guter alter Portwein, aber da ist noch etwas anderes – eine Fruchtigkeit – irgendein vertrauter Geschmack – es ist... es ist...«
»Brombeeren!« rief Mr. Crump triumphierend. »Einer meiner besten Weine. Hab ihn vor zwei Jahren im Spätherbst angesetzt – war ein prima Jahr dafür.«
Ich lehnte mich auf meinen Stuhl zurück und nahm noch einen Schluck von der starken, dunklen Flüssigkeit; der Wein war vollmundig, anregend und hatte einen ganz leichten Brombeergeschmack. Ich sah die tief herabhängenden Zweige mit den Beeren förmlich vor mir, wie sie schwarz und saftig in der Herbstsonne glänzten. Der Liebreiz des Bildes paßte zu meiner Stimmung, die von Minute zu Minute heiterer wurde. Zufrieden schaute ich mich in der schlichten Bauernküche um, blickte auf die Schinken und
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