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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Augen, und mich schauerte, als Siegfried eine Gabelvoll Ham and Eggs in den Mund schob und kräftig zubiß. Meine Gedanken wanderten zu dem gestrigen Abend zurück. Mir fielen die sanften Hände ein, die mir immer wieder die lächerliche Mütze aufgesetzt hatten, und ich stöhnte innerlich.
    Die Bamfords wußten es sehr wohl. Es bestand nicht der geringste Zweifel, daß sie es wußten.

Kapitel 6
     
    Der weißhaarige alte Herr mit dem sympathischen Gesicht sah nicht aus wie jemand, der leicht in Erregung gerät, aber seine Augen funkelten mich zornig an, und seine Mundwinkel zuckten vor verhaltener Empörung.
    »Mr. Herriot«, sagte er, »ich bin gekommen, um mich zu beschweren. Sie lassen es zu, daß Studenten ausgerechnet an meiner Katze den Beruf erlernen. Dagegen erhebe ich energisch Einspruch.«
    »Studenten? Was für Studenten?« Ich war völlig verwirrt.
    »Sie wissen sehr gut, was ich meine, Mr. Herriot. Ich habe vor einigen Tagen meine Katze für eine Gebärmutterentfernung hierhergebracht, und ich spreche von dieser Operation.«
    Ich nickte. »Ja, ich erinnere mich sehr deutlich daran... aber was hat das mit Studenten zu tun?«
    »Nun, der Schnitt ist ziemlich groß, und ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß er von jemandem gemacht worden ist, der noch keine Erfahrung mit solchen Eingriffen hat.« Der alte Herr schob grimmig das Kinn vor.
    »Moment. Eins nach dem anderen«, sagte ich. »Ich habe die Operation an Ihrer Katze selbst vorgenommen. Der Einschnitt mußte vergrößert werden, weil das Tier trächtig war, und zwar schon in einem fortgeschrittenen Stadium. Durch die ursprüngliche Öffnung konnte ich die Fetusse nicht herausholen.«
    »Ach so. Das wußte ich nicht.«
    »Zweitens arbeiten bei uns keine Studenten. Die kommen nur während der Semesterferien, und dann erlauben wir ihnen ganz gewiß nicht, Operationen vorzunehmen.«
    »Aber diese Dame schien sich ihrer Sache ganz sicher zu sein. Sie warf einen Blick auf die Katze und erklärte, das habe ein Student gemacht.«
    »Dame?«
    »Ja«, sagte der alte Herr. »Sie versteht sehr viel von Tieren und fragte, ob sie mir helfen solle, die Katze gesundzupflegen. Sie brachte mir mehrere ausgezeichnete Stärkungsmittel mit.«
    Bei mir blitzte es. Plötzlich war mir alles klar. »Sie meinen Mrs. Donovan, nicht wahr?«
    »Nun... hm, ja, so heißt sie wohl.«
    Die alte Mrs. Donovan war eine Person, die man wirklich überall traf. Ganz gleich, was in Darrowby vor sich ging – Hochzeiten, Beerdigungen, Hausversteigerungen –, stets sah man unter den Zuschauern die untersetzte Gestalt mit dem auffallend dunklen Teint und den lebhaften Knopfaugen, die alles begierig in sich aufnahmen. Und immer hatte sie ihren Terrier dabei.
    Mrs. Donovans Alter war schwer zu schätzen. Sie konnte alles sein zwischen fünfundfünfzig und fünfundsiebzig. Ihre Vitalität glich der einer jungen Frau. Viele Leute in Darrowby spotteten über sie, doch von anderen wurde sie als eine Art Tierdoktor angesehen. »Der junge Doktor Herriot«, pflegte sie zu den Hunde- und Katzenbesitzern zu sagen, »mag ja für Rinder und Schafe ganz nützlich sein, aber von Kleintieren versteht er nichts.«
    Über deren Leiden konnte sie stundenlang reden, und sie verfügte über ein ganzes Arsenal von Medikamenten und Heilmitteln: ihre Hauptspezialität waren die Wunder wirkenden Stärkungsmittel und ein Hundeshampoo von unvergleichlichem Wert für die Verbesserung des Fells. Da sie den lieben langen Tag auf Achse war, begegnete ich ihr häufig, und sie lächelte stets liebenswürdig zu mir empor.
    Es lag jedoch kein Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie eines Nachmittags, während Siegfried und ich gerade beim Tee saßen, in die Praxis gestürzt kam.
    »Mr. Herriot!« stieß sie hervor, »können Sie kommen? Mein kleiner Hund ist überfahren worden!«
    Ich sprang sofort auf, packte sie in den Wagen und fuhr mit ihr los. Starr vor sich hinblickend, die Hände fest um die Knie geklammert, saß sie neben mir.
    »Er hat sich sein Halsband abgestreift und ist vor einen Wagen gelaufen«, murmelte sie. »Er liegt vor der Schule in der Cliffend Road. Bitte, beeilen Sie sich.«
    Ich war in drei Minuten dort, aber als ich mich über den staubigen kleinen Körper beugte, sah ich sofort, daß es nichts gab, was ich hätte tun können. Der zusehends glasig werdende Blick, das Röcheln, die fahle Blässe der Schleimhäute – das alles bedeutete nur eines.
    Ganz vorsichtig schob ich meine Linke unter das

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