Tierarzt
meinten Sie denn damit – eine Wäsche mit Shampoo und eine Kur mit Stärkungsmitteln?«
»Nichts Wichtiges. Ich erklär’s Ihnen ein andermal. Was der Hund braucht, ist gute Ernährung, Fürsorge und Liebe, und genau das wird er bekommen. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.«
»Also gut, Sie scheinen Ihrer Sache ja ganz sicher zu sein.« Halliday sah mich kurz an, dann wandte er sich ab und ging auf die ungeduldig wartende kleine Gestalt vor dem Schuppen zu.
Fast drei Wochen vergingen, da sah ich Mrs. Donovan eines Morgens auf dem Marktplatz. Drüben auf der anderen Seite marschierte sie munter den Gehsteig entlang und blickte dabei genau wie früher neugierig in jedes Schaufenster, nur daß sie jetzt einen großen gelben Hund an der Leine führte.
Ich lenkte den Wagen nach rechts und fuhr über das holperige Pflaster zu ihr hinüber. Sie sah mich aussteigen und blieb stehen, sagte aber nichts, sondern lächelte nur schelmisch, als ich mich über Roy beugte und ihn mir näher ansah. Er war noch immer mager, aber er schien guter Dinge und glücklich zu sein, seine Wunden heilten gut, und sein Fell glänzte. Jetzt wußte ich, womit Mrs. Donovan sich in den vergangenen Wochen beschäftigt hatte: Sie hatte das völlig verfilzte Haarkleid immer wieder gewaschen, gebürstet und gekämmt, bis es schließlich sauber war.
Als ich mich wieder aufrichtete, faßte sie nach meinem Arm und sah mir in die Augen.
»Mr. Herriot«, sagte sie, »hab ich nicht einen anderen Hund aus ihm gemacht?«
»Sie haben Wunder vollbracht, Mrs. Donovan«, erwiderte ich. »Und das kommt ganz allein von Ihrem großartigen Shampoo, nicht wahr?«
Sie lachte verschämt und ging weiter. Etwa zwei Monate später traf ich sie wieder. Sie kam gerade an der Praxis vorbei, als ich aus der Tür trat, und wieder griff sie nach meinem Arm.
»Mr. Herriot«, sagte sie genau wie das erste Mal, »hab ich nicht einen anderen Hund aus ihm gemacht?«
So etwas wie ein Gefühl der Ehrfurcht überkam mich, als mein Blick auf Roy fiel. Er war gewachsen und voller geworden, und das Fell, nicht mehr gelb, sondern von einem satten Gold, spannte sich seidenweich und üppig über den gutgepolsterten Rippen. Er trug ein prächtiges, funkelnagelneues Halsband, und sein Schwanz, sehr schön gefranst, fächelte sanft die Luft. Er war jetzt ein goldfarbener Retriever in voller Pracht. Während ich ihn mir noch überrascht betrachtete, stellte er sich auf die Hinterbeine, legte mir die Vorderpfoten auf die Brust und sah mich an. Und in seinen Augen las ich die gleiche ruhige und vertrauensvolle Zuneigung wie damals in dem dunklen, stinkigen Schuppen.
»Mrs. Donovan«, sagte ich leise, »er ist der schönste Hund in ganz Yorkshire.« Und dann, weil ich wußte, daß sie darauf wartete: »Das kommt bestimmt nur von diesen wundervollen Stärkungsmitteln. Was tun Sie da bloß hinein?«
»Ja, das möchten Sie gerne wissen, nicht wahr?« Sie warf den Kopf zurück und lächelte kokett zu mir auf – es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte ihr mitten auf der Straße einen Kuß gegeben.
Mrs. Donovan wurde für ihre Mühe reich belohnt: Sie hatte in Roy einen treuen Gefährten, mit dem sie stets zusammen war. Aber es war noch etwas anderes: Sie hatte von jeher das Bedürfnis gehabt, Tieren zu helfen, und Roys Rettung war der Höhepunkt ihres Lebens – ein strahlender Triumph, der niemals verblaßte.
Und noch Jahre später fragte sie mich jedesmal, wenn wir uns begegneten, so als sei alles erst gestern geschehen:
»Mr. Herriot, hab ich nicht einen anderen Hund aus ihm gemacht?«
Kapitel 7
Mit einiger Sorge, aber auch einem Gefühl der Ungläubigkeit blickte ich auf das kranke Jungvieh am Berghang. Doch hoffentlich nicht schon wieder neue Schwierigkeiten für die Dalbys!
Das alte Sprichwort ›Ein Unglück kommt selten allein‹ scheint besonders für die Landwirtschaft zu gelten. Angefangen hatte alles mit dem Tod von Billy Dalby, dem großen, gutmütigen Kerl mit dem bedächtigen Lächeln und der bedächtigen Redeweise. Er hatte immer so außerordentlich kräftig und zäh gewirkt, aber innerhalb weniger Wochen wurde er vom Tod dahingerafft. Eine bösartige Geschwulst in der Bauchspeicheldrüse, hieß es, und noch ehe jemand wußte, was geschah, war Billy tot, und jetzt lächelte nur noch sein Bild vom Kaminsims der Küche auf seine Frau und seine drei Kinder herab.
Alle Welt war der Ansicht, Mrs. Dalby solle den Hof verkaufen, denn ohne Mann könne sie ihn
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