Tierarzt
anderen Stapels riß. Beim Hupen der Autos und dem Geklingel der Straßenbahnen kroch ich, von neugierigen Passanten beobachtet, auf der Straße herum und suchte meine Schätze zusammen. Aus der Ferne näherte sich, wohl von dem Lärm und der langen Reihe wartender Fahrzeuge angezogen, mit gemessenen Schritten ein Polizist.
Im Geiste sah ich mich wegen Verkehrsbehinderung schon in polizeilichen Gewahrsam genommen, doch dann kam mir der Gedanke, daß ein Polizist, der so gemächlich auf einen zuschlendert, ein anständiger Kerl sein muß und einem letztlich nur Gelegenheit geben will, sich aus dem Staube zu machen. Schleunigst nutzte ich meine Chance.
Die Straßenbahnhaltestelle war gleich an der nächsten Ecke. Als die Bahn kam, wartete ich geduldig, bis ich mit dem Einsteigen an der Reihe war. Ich hatte bereits einen Fuß aufs Trittbrett gesetzt, da versperrte mir eine große Hand den Weg.
»Halt!« Der Schaffner blickte mich mit finsterer Miene an. Er gehörte offensichtlich zu jener Sorte von Menschen, denen nichts ein größeres Vergnügen bereitet, als anderen das Leben zu vergällen.
»Sie kommen mir hier nicht rein. Nicht mit diesem umfangreichen Gepäck!«
Ich blickte bestürzt zu ihm auf. »Aber... aber es sind doch nur ein paar Bücher...«
»Nichts zu machen! Sehen Sie zu, wie Sie zurechtkommen. Meine Bahn benutzen Sie nicht.«
Die Klingel ertönte, und die Straßenbahn setzte sich in Bewegung. Beim Zurücktreten stieß ich gegen einen der beiden Stapel; er kippte um, und die Bücher rollten umher.
Ich sammelte sie zwar tapfer auf, aber allmählich schien mir meine Lage ziemlich hoffnungslos. Mein Wagen stand etwa eine Meile weit weg, und auch ein baumstarker nepalesischer Sherpa hätte es nicht geschafft, die Bücher so weit zu tragen. Natürlich blieb noch die Möglichkeit, sie einfach im Stich zu lassen: sie hier gegen die Hauswand zu lehnen und mich still aus dem Staube zu machen... Aber nein, das wäre nicht recht, und außerdem waren sie schön. Wenn es mir nur gelang, sie nach Hause zu bringen, dann war alles gut.
Die nächste Straßenbahn rumpelte heran, und wieder mischte ich mich mit meiner Bürde unter die einsteigenden Fahrgäste in der Hoffnung, daß niemand mich bemerken würde.
Diesmal war es eine weibliche Stimme.
»Bedaure, Sie können hier nicht mitfahren, junger Mann.« Es war eine Frau mittleren Alters; die Uniform straffte sich über ihrer rundlichen Gestalt.
»Ja... aber ich muß doch meine Bücher irgendwie nach Hause bringen.«
Die Schaffnerin mußte den Ausdruck von Verzweiflung in meinen Augen wahrgenommen haben, denn sie sah mich eine Weile an und machte dann plötzlich eine auffordernde Geste.
»Na schön, steigen Sie ein. Sie können bei mir auf der Plattform bleiben. Eigentlich darf ich es nicht, aber ich bring’s nicht übers Herz, Sie einfach da stehenzulassen.«
Ich wußte nicht, ob ich sie umarmen oder in Tränen ausbrechen sollte. Aber natürlich tat ich weder das eine noch das andere, sondern setzte die Bücher in einer Ecke ab und stellte mich schützend vor sie, bis wir zu der Parkanlage kamen, wo ich meinen Wagen abgestellt hatte.
Ich war froh, endlich erlöst zu sein. Aufatmend verstaute ich die Bücher auf dem Rücksitz des Wagens und hätte am liebsten laut gesungen, als ich losfuhr.
Langsam bahnte ich mir einen Weg durch den Verkehr und dachte im stillen, wie glücklich ich mich doch schätzen konnte, auf dem Lande zu leben, denn im Wageninnern roch es stark nach Abgasen und Fabrikgestank. Doch auch als die Stadt bereits weit hinter mir lag und ich in das knospende Grün des Penninischen Gebirges hinauffuhr, war der beißende Geruch immer noch da.
Ich öffnete das Wagenfenster und atmete gierig die reine, frische Luft ein, die von draußen hereindrang, aber sobald ich es schloß, war der seltsam ätzende Geruch sofort wieder zu merken. Ich hielt an, drehte mich auf meinem Sitz herum und schnupperte, woher er kam. Es waren die Bücher – daran bestand kein Zweifel.
Wahrscheinlich waren sie in einem feuchten Raum gelagert worden, sagte ich mir, und es würde sicher bald vorübergehen. Doch vorläufig war es unangenehm, und der Geruch trieb mir die Tränen in die Augen.
Die vielen Treppen zu unserem kleinen Reich im obersten Stockwerk von Skeldale House hatten mir bisher nie etwas ausgemacht, aber heute kostete mich jede Stufe Mühe, und als ich endlich oben angelangt war, zitterten mir Arme und Beine.
»Nun, wie war es auf der Auktion?«
Weitere Kostenlose Bücher