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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Bewußtsein, und als ich eines Tages eine Probe ins Labor nach Leeds bringen mußte, sah ich eine Chance, meine Sünden wiedergutzumachen.
    »Helen«, sagte ich, »in Leeds gibt es mitten im Zentrum der Stadt ein großes Auktionshaus. Da läßt sich bestimmt das finden, was wir brauchen können. Eine Stunde kann ich dafür erübrigen.«
    »Oh, wunderbar!« erwiderte meine Frau. »Das ist wirklich eine gute Idee! Dort hast du bestimmt eine reiche Auswahl. Bei den kleinen Versteigerungen hier in der Gegend muß es dir ja auch schwerfallen, etwas Richtiges zu finden.« Helen war immer lieb und nachsichtig.
    Das Auktionslokal lag in einer lebhaften Geschäftsstraße. Die Steintreppe vor dem Haus, die direkt in die Versteigerungsräume führte, war ungewöhnlich hoch. Als ich ein wenig atemlos oben ankam, erkannte ich sofort, daß ich hier an der richtigen Adresse war: weitläufige Säle voller Möbel, Kochgeräte, Grammophone, Teppiche – kurz alles, was man sich in einem Haus nur wünschen konnte.
    Völlig fasziniert wanderte ich eine Zeitlang umher, dann richtete sich meine Aufmerksamkeit auf zwei hohe Stapel Bücher. Ich griff nach einem Band. Es war Die Geographie der Welt. Noch nie hatte ich so schöne Bücher gesehen: großformatig wie ein Lexikonband, mit dicken Buchdeckeln und Goldprägung auf dem Rücken. Alle Bände waren mit Goldschnitt versehen, und das Papier fühlte sich himmlisch glatt an. Hingerissen blätterte ich die Seiten um und bewunderte die herrlichen Illustrationen: vor den ganzseitigen farbigen Abbildungen war jeweils ein dünnes durchsichtiges Blatt Papier eingeklebt. Zugegeben, die Bücher wirkten ein bißchen altmodisch, und als ich das Titelblatt aufschlug, sah ich, daß sie aus dem Jahre 1858 stammten; aber sie waren einfach schön.
    Rückblickend glaube ich, daß das Schicksal die Hand dabei im Spiel gehabt haben muß, denn als ich mich gerade zögernd abwandte, hörte ich nicht weit von mir die Stimme des Versteigerers:
    »Als nächstes haben wir hier einen herrlichen Satz Bücher. Die Geographie der Welt in vierundzwanzig Bänden. Greifen Sie zu. Bücher wie diese gibt es heutzutage überhaupt nicht mehr. Wer macht ein Gebot?«
    Ich war ganz seiner Meinung: Sie waren wirklich einzigartig, aber sicherlich auch sehr teuer. Ich blickte mich um. Niemand sagte ein Wort.
    »Aber es muß hier unter Ihnen, meine Damen und Herren, doch jemand sein, der seine Bibliothek mit dieser wundervollen Ausgabe bereichern will. Nun, was höre ich?«
    Wieder herrschte Schweigen. Dann hob ein ärmlich aussehender Mann in einem abgetragenen Regenmantel die Hand.
    »Eine halbe Krone«, sagte er brummig.
    Ich sah mich um und erwartete schallendes Gelächter über diesen Witz, aber niemand war belustigt. Und auch der Versteigerer schien nicht überrascht zu sein.
    »Ich habe ein Gebot von einer halben Krone.« Er blickte um sich und hob den Hammer. Mit klopfendem Herzen erkannte ich, daß er im Begriff war, die Bücher zu diesem Preis wegzugeben.
    Ich hörte mich rasch sagen: »Drei Shilling.«
    »Ich habe ein Gebot von drei Shilling für die Geographie der Welt in vierundzwanzig Bänden. Wer bietet mehr? Niemand?« Der Hammer ging nieder. »Der Zuschlag erfolgt an den Herrn da drüben.«
    Sie gehörten mir! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Und nie zuvor hatte jemand ein besseres Geschäft gemacht! Ich zahlte meine drei Shilling, während ein Angestellter jeden Stapel mit einer dicken Schnur umwickelte.
    Der erste Dämpfer wurde mir aufgesetzt, als ich mich anschickte, mich mit meiner kostbaren Beute auf den Weg zu machen. Bücher sind keine leichte Ware, und diese waren besonders schwer; noch dazu waren es vierundzwanzig an der Zahl. Tief Luft holend, gelang es mir schließlich, die beiden Stapel vom Boden zu lösen und mich damit zum Ausgang zu schleppen.
    Die erste Schnur riß bereits auf der obersten Stufe, und zwölf Bände polterten treppab. »Nur ruhig Blut«, sagte ich mir und beschloß, zuerst den unversehrten Stapel nach unten zu befördern und dann die anderen aufzulesen. Das tat ich, aber es dauerte eine ganze Weile, und ich war in Schweiß gebadet, als ich endlich mit meiner Habe an der Bordkante stand, um zur Straßenbahnhaltestelle auf der anderen Seite zu gehen. Ich hatte meinen Wagen in der Nähe des Labors geparkt, weil man in dem Institut gemeint hatte, ich würde mitten im Stadtzentrum nur schwer einen Parkplatz finden.
    Das zweite Malheur passierte mitten auf dem Fahrdamm: die Schnur des

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