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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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zu sein, eines Tages hier im Hause einmal die Zügel in die Hand zu nehmen. Er zog seine kleinen Stiefel an und marschierte resolut und pflichteifrig mit uns über den Hof. Ich hielt ihn um die Schulter gefaßt; er würde sehr viel schneller zum Mann heranreifen müssen als seine Altersgenossen, aber ich hatte das Gefühl, daß er einen ausgeprägten Wirklichkeitssinn besaß.
    Die Tiere bekamen ihre zweite Spritze – mehr konnte ich im Augenblick leider nicht tun.
    Es liegt eine schaurige Faszination darin, sich rückblickend an Situationen wie diese zu erinnern, wo wir Tierärzte der unvermeidlichen Katastrophe machtlos gegenüberstanden. Heutzutage brauchen die jungen Veterinäre gottlob nicht mehr vor einer Herde schwer atmender, stöhnender Tiere zu stehen mit dem bedrückenden Gefühl, daß man nichts dagegen tun kann. Dank einem ausgezeichneten Schluckimpfstoff kann man der Krankheit inzwischen vorbeugen; und außerdem gibt es wirksame Mittel, sie zu behandeln.
    Aber den Dalbys, die meine Hilfe so dringend brauchten, konnte ich damals nichts bieten. Als wir die Seuche schließlich unter Kontrolle hatten, waren zwölf Rinder tot und fünf so geschwächt, daß sie voraussichtlich für den Rest ihres Lebens kränkeln würden. Die anderen hatten sich wieder ganz erholt – aber das lag mehr an der guten Ernährung und weniger an meiner Behandlung.
    Auf dem Heimweg mußte ich am Ende des Feldwegs noch einmal anhalten und das Gatter öffnen. Ich blickte zurück auf das alte Bauernhaus, das an den Hang geschmiegt lag. Es war ein wundervoller Herbsttag mit goldenem Sonnenschein, der die hügelige Heidelandschaft in ein mildes Licht tauchte. Ringsum war alles so still und friedlich, daß man deutlich den Flügelschlag einer Taube hoch oben in der Luft hörte. Die einzelnen Bäume auf dem Hügelkamm jenseits des Tales sahen aus wie ein Fries, der mit zarten Pinselstrichen quer über die blaue Leinwand des Himmels gemalt war.
    Es schien nicht gerecht, daß es inmitten all dieser Schönheit Kummer und Sorge, zermürbenden Kampf und drohenden Ruin gab. Ich schloß das Gatter und stieg wieder in den Wagen. Als ich den Motor anstellte, ging mir durch den Kopf, daß die kleine Frau da oben diese Krise zwar überstanden hatte, daß ein weiteres Unglück dieser Art sie jedoch zugrunde richten würde.

Kapitel 8
     
    Zum Alltag unseres Lebens gehörte auch, daß Helen und ich die Einrichtung unseres Wohnschlafzimmers und der Küche vervollständigen mußten. Wir hegten keine übertriebenen Wünsche, denn die Sache war ja nur ein vorübergehender Notbehelf, und außerdem hatten wir nicht viel Geld.
    Die notwendigsten Dinge besaßen wir inzwischen. Wir hatten sie sämtlich auf privaten Versteigerungen erworben. Da ich ständig überall herumkam, konnte ich leicht solche Gelegenheitskäufe wahrnehmen, und deshalb war mir die Aufgabe zugefallen, zu besorgen, was in unserem Haushalt noch fehlte. Aber schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß ich dafür denkbar ungeeignet war.
    Ich hatte vorher nichts davon gewußt, daß ich auf diesem Gebiet nicht das geringste Talent besaß. Von der ersten Auktion kam ich mit zwei Kerzenleuchtern aus Messing und einer ausgestopften Eule nach Hause. Bei anderer Gelegenheit erwarb ich ein reich verziertes Tintenfaß, auf dem ein in Bronze gegossener Hund saß, und dazu ein auf Hochglanz poliertes Holzschränkchen mit zahllosen winzigen Schubladen und Fächern zur Aufbewahrung homöopathischer Mittel. Ich konnte mich stundenlang über meine Erwerbungen auslassen, aber im Grunde war kaum ein nützlicher Gegenstand darunter.
    Helen nahm es liebevoll hin.
    »Jim«, sagte sie eines Tages, als ich ihr stolz ein Flaschenschiff zeigte, das ich zu meiner großen Freude ergattert hatte, »es ist wunderschön, aber ich fürchte, es ist nicht ganz das, was wir im Augenblick brauchen.«
    Die Ärmste, ich muß eine große Enttäuschung für sie gewesen sein, und für die ortsansässigen Versteigerer nicht minder. Wenn diese Herren mich hinten im Saal herumlungern sahen, faßten sie sichtlich Mut. Genau wie ein Großteil der Landbevölkerung hielten sie alle Tierärzte für reich und sahen mich beispielsweise mit erwartungsvollem Lächeln über die Köpfe der Menge hinweg an, wenn etwa ein schöner Stutzflügel zur Versteigerung kam. Sie waren richtig enttäuscht, wenn ich schließlich mit einem leicht ramponierten Barometer oder einem Handschuhspanner von dannen zog.
    Mit der Zeit kam mir mein Versagen zum

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