Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
gekämmt zu sein und nicht ständig das Gefühl zu haben, ich würde jeden Augenblick in tausend Stücke zerspringen.
    »Ich hole mir eine Tasse Tee. Möchten Sie auch eine, Mr. Herriot?«
    »Nein-nein, vielen Dank, nicht jetzt.« Ich winkte dankend ab.
    Sie ging hinaus, und als sie zurückkehrte, gab sie ihrem Mann ein Paket. »Ich war heute in der Stadt, Liebling, und habe dir von den Hemden, die dir so gut gefallen, ein paar besorgt.«
    »Mein Süßes! Wie lieb von dir!« Eifrig wie ein Schuljunge riß er an dem braunen Papier und brachte drei elegante Hemden in Zellophanhüllen zum Vorschein. »Herrlich! Du verwöhnst mich viel zu sehr.« Er sah mich an. »Jim! Das sind die besten Hemden, die es gibt. Hier, nehmen Sie sich eines mit.« Und er warf mir ein Hemd zu.
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. »Aber nein, ich kann doch nicht...«
    »Natürlich können Sie. Ich will, daß Sie es behalten.«
    »Aber Granville, doch kein Hemd... es ist zu...«
    »Es ist ein sehr gutes Hemd.« Er machte wieder ein bekümmertes Gesicht.
    Ich gab mich geschlagen.
    Sie waren beide ungewöhnlich nett. Zoe saß mit ihrer Teetasse liebenswürdig plaudernd neben mir, und Granville strahlte mich von seinem Sessel aus an, während er das letzte Sandwich verzehrte und sich dann wieder den Zwiebeln zuwandte.
    Ich trug leider nicht allzuviel zur Unterhaltung bei. Der reichliche Alkoholgenuß tat seine Wirkung, und ich war mir in steigendem Maße bewußt, daß ich nur dasaß und dümmlich lächelte. Ganz im Gegensatz zu Granville, der genauso aussah wie zu Beginn des Abends, als ich ihn in der Klinik kennengelernt hatte. Er war unverändert liebenswürdig und charmant. Es war nicht ganz leicht zu ertragen.
    Die Tabakdose in meiner Jackentasche, das Hemd unter den Arm geklemmt, verabschiedete ich mich von Zoe.
    In der Klinik ging ich sofort zu Dinah. Der Hündin ging es bestens; sie hob den Kopf und sah mich schläfrig an. Sie hatte Farbe, und der Puls schlug regelmäßig und kräftig. Der Operationsschock war durch die fachmännische, schnelle Arbeitsweise meines Kollegen und die intravenöse Tropfinfusion auf ein Minimum reduziert worden.
    Ich kniete mich hin und kraulte sie hinter den Ohren. »Ich bin sicher, sie wird es schaffen, Granville.«
    Über mir nickte die große Pfeife mit würdevoller Zuversicht.
    »Natürlich schafft sie es, mein Freund.«
    Und er hatte recht. Dinah wurde durch die Gebärmutterentfernung verjüngt und lebte, sehr zur Freude ihrer Herrin, noch viele Jahre.
    Auf der Heimfahrt lag sie neben mir auf dem Beifahrersitz, und nur ihre Nase schaute unter der Decke hervor. Manchmal legte sie, wenn ich nach dem Schalthebel griff, den Kopf auf meinen Arm oder leckte mir träge die Hand.
    Sie schien sich weit besser zu fühlen als ich.

Kapitel 11
     
    Das Gesicht des Viehhändlers Ben Ashby hatte den üblichen nichtssagenden Ausdruck, als er sich über das Gatter lehnte. Offenbar fürchtete er sich davor, irgendeine Gemütsbewegung zu zeigen, die von den Bauern als Enthusiasmus gedeutet werden könnte. Wenn er ein Tier ansah, verriet sein Gesicht nichts, außer hin und wieder leichte Betrübnis.
    So war es auch an diesem Morgen, als er, die Arme auf den obersten Balken gestützt, Harry Sumners Färse düster anblickte. Nach einer Weile wandte er sich an den Bauern.
    »Wär besser gewesen, Sie hätten sie in den Stall gebracht, Harry. Sie ist zu weit weg. Da muß ich hinüberklettern.« Steifbeinig erklomm er die unterste Latte, da bemerkte er Monty. Der Bulle war vorher nicht zu sehen gewesen, weil andere Färsen ihn verdeckten, aber jetzt hob sich plötzlich der große Kopf hoch über die anderen, der Nasenring glänzte, und ein drohendes, ersticktes Brüllen ertönte. Er sah in unsere Richtung und scharrte ungeduldig mit dem Vorderfuß.
    Ben Ashby kletterte nicht weiter, zögerte eine Sekunde und kam wieder herunter.
    »Ach was«, sagte er immer noch völlig ausdruckslos. »Wird schon von hier aus gehen. So weit ist die Entfernung gar nicht.«
    Monty hatte sich sehr verändert, seit ich ihn vor etwa zwei Jahren zum erstenmal gesehen hatte. Er war damals zwei Wochen alt gewesen, ein kleines X-beiniges Geschöpf, dessen Kopf tief in einem Milcheimer steckte.
    »Na, was halten Sie von meinem neuen Bullen?« hatte Harry Sumner lachend gefragt. »Bißchen wenig dran für den Preis von £ 100, finden Sie nicht auch?«
    Ich war überrascht. »Wirklich so viel?«
    »Ja, ist ’ne Menge Geld für ein neugeborenes Kalb,

Weitere Kostenlose Bücher