Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
Mund geschoben; doch als ich tapfer zubiß, stieg mir der scharfe Geruch in die Nase, und ich mußte zugleich niesen und husten. Rasch trank ich einen Schluck Whisky und sah Granville mit tränenden Augen an.
    Er hielt mir erneut die Schüssel mit den Zwiebeln hin. Als ich dankend ablehnte, betrachtete er sie eine Sekunde lang bekümmert. »Komisch, daß sie Ihnen nicht schmecken; ich fand immer, daß Zoe sie wunderbar zubereitet.«
    »Oh, Sie irren sich, Granville, sie sind wirklich köstlich. Ich habe nur diese hier noch nicht zu Ende gegessen.«
    Er erwiderte nichts, sondern machte weiterhin ein betrübtes Gesicht. Es gab keinen anderen Ausweg: Ich mußte noch eine Zwiebel nehmen.
    Hocherfreut eilte Granville wieder in die Küche. Als er diesmal zurückkehrte, brachte er ein Tablett mit einem riesigen Stück kalten Braten an, einem Laib Brot, Butter und Senf.
    »Was halten Sie von einem Bratensandwich, Jim?« murmelte er, während er das Messer an einem Wetzstahl abzog. Dann bemerkte er mein noch halbvolles Glas.
    »Los, los«, sagte er ein wenig ungeduldig. »Sie trinken ja überhaupt nichts.« Er beobachtete mich wohlwollend, während ich das Glas leerte, dann füllte er es wieder wie zuvor. »Gut so. Und nehmen Sie noch eine Zwiebel.«
    Ich streckte die Beine aus und legte den Kopf auf die Rückenlehne des Sessels, um den Aufruhr in meinem Inneren ein wenig zu besänftigen. Während ich Granville zusah, wie er an dem Braten säbelte, durchflutete mich eine Welle von Übelkeit. Die Scheiben gerieten ihm fast drei Zentimeter dick, er bestrich sie mit Senf und legte sie zwischen gebutterte Brotscheiben. Er summte zufrieden vor sich hin, während der Sandwichberg immer größer wurde. Zwischendurch aß er ab und zu eine weitere Zwiebel.
    »Hier, mein Sohn«, rief er schließlich und stellte einen hochgehäuften Teller auf den Tisch neben mir. »Guten Appetit.« Dann füllte er seinen eigenen Teller und ließ sich seufzend in einen Sessel fallen.
    Er nahm einen großen Bissen und sprach mit vollem Mund. »Wissen Sie, Jim, so ein kleiner Imbiß gehört für mich zu den Freuden des Lebens.« Er biß wieder ein Stück ab. »Und ich will Ihnen was sagen, auch wenn’s nach Eigenlob riecht: diese Sandwiches sind wirklich verdammt gut, finden Sie nicht?«
    »Ja, das sind sie.«
    Man hörte, wie die Haustür geöffnet wurde, und Granville wollte gerade aufstehen, als ein schändlich fetter Bullterrier hereinkam, über den Teppich watschelte und ihm auf den Schoß sprang.
    »Phoebles, mein Schatz, komm zu Daddy!« rief er. »Hast du mit Mummy einen schönen Spaziergang gemacht?«
    Dem Bullterrier folgte dicht auf den Fersen ein Yorkshire Terrier, der von Granville ebenfalls begeistert begrüßt wurde.
    »Hallo, Victoria, hallo!«
    Die Hündin sprang nicht auf den Schoß ihres Herrn, sondern begnügte sich damit, zu seinen Füßen zu sitzen und ihn erwartungsvoll anzuhimmeln.
    Ich hörte leichte Schritte in der Diele und blickte gespannt auf. Ich hatte mir im Geist ein genaues Bild von Granvilles Frau gemacht: ein häusliches, aufopferndes Wesen, ziemlich reizlos, kurz, eine richtige kleine Hausfrau, so wie viele dynamische Persönlichkeiten sie bevorzugen.
    Doch als die Tür aufging, hätte ich um ein Haar mein riesiges Sandwich fallen lassen. Zoe Bennett war eine hinreißende Schönheit, nach der sich jeder Mann umgedreht hätte. Dichtes braunes Haar mit einem wundervollen Seidenglanz, große graugrüne, sanfte Augen, ein Tweedkostüm, das ihre schlanke Figur gut umschloß; und sie strahlte eine Herzenswärme aus, ein inneres Licht, daß ich plötzlich wünschte, ich wäre ein besserer Mensch oder sähe zumindest etwas besser und ordentlicher aus.
    Ich schämte mich meiner schmutzigen Schuhe, meiner alten Jacke und der Kordsamthose, die hier fehl am Platze waren. Ich hatte mir nicht die Mühe genommen, mich umzuziehen, sondern war einfach in meiner Arbeitskleidung losgesaust, die sich von der Granvilles erheblich unterschied, da er nicht wie ich seinem Beruf im Freien oder in Viehställen nachging.
    »Mein liebes Herz!« rief er beglückt, als seine Frau sich zu ihm hinunterbeugte und ihn zärtlich küßte. »Darf ich dich mit Jim Herriot aus Darrowby bekannt machen.«
    Sie richtete den Blick auf mich.
    »Ich freue mich, Mr. Herriot!« Sie setzte eine ebenso liebenswürdige Miene auf, wie ihr Mann es bei unserer Begrüßung getan hatte, und wieder spürte ich den verzweifelten Wunsch, präsentabler auszusehen, ordentlich

Weitere Kostenlose Bücher