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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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durchtrennte, quoll der Uterus, stark geschwollen und mit Eiter gefüllt, hervor. Kein Wunder, daß Dinah sich krank gefühlt hatte!
    Die dicken Finger arbeiteten sich behutsam hindurch, banden Eierstöcke und Gebärmutter ab, entfernten dann das Ganze. Bennett war schon beim Nähen, da merkte ich erst, daß die Operation so gut wie beendet war. Er hatte nur ein paar Minuten dazu gebraucht, und es hatte kinderleicht ausgesehen, doch man spürte die Konzentration, mit der er arbeitete.
    Und während ich ihm zusah, wie er in dem weißgekachelten Raum unter der schattenlosen Lampe mit den blitzenden Instrumenten hantierte, schoß mir der Gedanke durch den Kopf, daß die Arbeit, die er da machte, genau das war, was ich selbst immer hatte tun wollen. Als ich mich entschloß, Tierheilkunde zu studieren, träumte ich von einer Tätigkeit wie dieser. Und was war aus mir geworden? Ein ungehobelter Kuhdoktor; oder auch, besser gesagt, ein Landtierarzt, aber auf jeden Fall etwas ganz anderes. Die Szene vor meinen Augen war himmelweit entfernt von meinem gewohnten Leben mit Tritten und Stößen, Schmutz und Schweiß. Und dennoch bedauerte ich nichts: Das Leben, das mir durch die Umstände aufgezwungen worden war, hatte mir vollste Erfüllung gebracht. Mit Befriedigung erkannte ich, daß ich auch künftighin lieber über die schlechten Straßen des Hochlands fahren wollte als mich über diesen Operationstisch zu beugen.
    Aber wie dem auch sei, aus mir wäre nie ein zweiter Bennett geworden. Erstens glaube ich nicht, daß ich soviel Geschick gehabt hätte wie er, und zweitens zeugte der ganze Betrieb hier von einem Geschäftssinn, einer Weitsicht und einem Ehrgeiz, die ich einfach nicht besaß.
    Mein Kollege war jetzt fertig. Er bereitete eine intravenöse Tropfinfusion mit Kochsalzlösung vor, führte die Kanüle in die Vene ein und sicherte sie mit einem Klebestreifen. Dann wandte er sich mir zu.
    »Das wär’s, Jim. Der Rest hängt von unserem Patienten selbst ab.« Er führte mich aus dem Operationssaal, und ich dachte im stillen, wie angenehm es sein mußte, nach getaner Arbeit einfach alles stehen und liegen lassen zu können. Zu Hause hätte ich jetzt die Instrumente waschen und den Tisch scheuern müssen. Und zu guter Letzt wäre Herriot, der große Chirurg, auch noch mit Scheuerlappen und Schrubber zugange gewesen, um den Boden aufzuwischen. Da war das hier schon besser.
    Als wir wieder im Wartezimmer waren, zog Bennett seine Jacke an, zog die riesige Pfeife aus der Tasche und musterte sie besorgt. Da ihn das Ergebnis nicht zu befriedigen schien, förderte er ein weiches gelbes Tuch zutage, mit dem er selbstvergessen das Bruyèreholz polierte. Dann hielt er die Pfeife in die Höhe, drehte sie leicht nach allen Seiten und beobachtete mit sichtlicher Befriedigung das Spiel des Lichts auf dem herrlich gemaserten Holz. Schließlich holte er einen großen Tabaksbeutel heraus, stopfte die Pfeife, hielt beinahe ehrfürchtig ein Streichholz daran und schloß genüßlich die Augen, als er den ersten Zug tat.
    »Der Tabak riecht wundervoll«, sagte ich. »Was für eine Marke ist es?«
    »Navy Cut De Luxe.« Er schloß abermals die Augen. »Ich kann nie genug davon kriegen.«
    Ich lachte. »Ich selbst nehme den gewöhnlichen Navy Cut.«
    Er blickte mich wie ein bekümmerter Buddha an. »Oh, das dürfen Sie nicht, mein Freund, auf gar keinen Fall. Dieser Tabak ist der einzige, der etwas taugt. Gehaltvoll... würzig... Hier, nehmen Sie etwas mit davon.«
    Er zog eine Schublade heraus. Der darin befindliche Vorrat an Rauchutensilien hätte einem Tabakladen mittlerer Größe zur Ehre gereicht; unzählige Büchsen, Pfeifen, Reiniger, Tücher.
    »Probieren Sie den«, sagte er. »Und sagen Sie mir, ob ich nicht recht habe.«
    Ich blickte auf die Büchse in meiner Hand. »Oh, das kann ich nicht annehmen. Das sind ja über hundert Gramm!«
    »Keine Widerworte! Stecken Sie den Tabak ein.« Plötzlich sah er mich strahlend an. »Sie wollen doch vermutlich warten, bis der Hund aus der Narkose aufwacht? Wie wär’s, wenn wir uns die Zeit mit einem Bier vertrieben? Ich bin Mitglied in einem netten kleinen Club gleich hier gegenüber.«
    »Eine glänzende Idee.«
    Für einen Mann seines Umfangs bewegte er sich ausgesprochen leichtfüßig, und ich mußte mich beeilen, wollte ich mit ihm Schritt halten, als er die Klinik verließ und einem Haus auf der anderen Straßenseite zustrebte.

Kapitel 10
     
    Das Clubinnere strahlte eine nüchterne

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