Tierarzt
Eleganz aus. Lauthals wurden wir von mehreren wohlhabend aussehenden Mitgliedern und freundlich lächelnd von dem Mann hinter der Theke willkommen geheißen.
»Zwei Bier, Fred«, murmelte Bennett geistesabwesend, und die Gläser erschienen mit verblüffender Geschwindigkeit. Mein Kollege leerte seines auf einen Zug und wandte sich mir zu.
»Noch eins, Jim?«
Ich hatte gerade erst einen Schluck von dem bitteren Bier probiert und trank jetzt hastig weiter. »Gut, aber diesmal auf meine Rechnung.«
»Nichts zu machen, mein Freund.« Er sah mich mit milder Strenge an. »Nur Mitglieder können hier Geld loswerden. Noch mal das gleiche, Fred.«
Jetzt hatte ich zwei Gläser vor mir stehen, und es kostete mich große Anstrengung, auch nur das erste hinunterzubringen. Bennett dagegen hatte das zweite Glas schon zu drei Viertel geleert, und gleich darauf trank er es mühelos ganz aus.
»Sie trinken sehr langsam, Jim«, sagte er mit nachsichtigem Lächeln. »Bitte noch zwei, Fred.«
Leicht beunruhigt bemerkte ich, wie der Barkeeper abermals den Hahn bediente, und machte mich entschlossen an meinen zweiten Schoppen. Es gelang mir auch, ihn hinunterzubekommen, und ich griff gerade schwer atmend nach dem dritten Glas, da vernahm ich schon wieder Bennetts Stimme.
»Noch ein letztes für den Heimweg, Jim«, sagte er liebenswürdig und, zu Fred gewandt: »Bitte, geben Sie uns noch zwei.«
Es war absurd, aber ich wollte kein Spielverderber sein, und so setzte ich verzweifelt das dritte Glas an die Lippen und trank es in kleinen Schlucken leer. Ich hatte das Gefühl, die Theke sei mein einziger Halt. Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Als ich aufblickte, sah ich, daß mein Kollege bereits auf dem Weg zur Tür war.
»Zeit, daß wir gehen, Jim«, sagte er. »Trinken Sie aus.«
Kaum zu glauben, was der menschliche Organismus verkraften kann, wenn man ihn auf die Probe stellt. Ich hätte gewettet, daß es mir nur mit einer halbstündigen Ruhepause möglich sein würde, dieses vierte Bier zu trinken, aber während Bennett mit der Fußspitze ungeduldig auf den Boden klopfte, goß ich nach und nach das Bier in meine Kehle. Mir ging durch den Kopf, daß die Wasserfolter bei der spanischen Inquisition sehr beliebt gewesen war, und als der Druck in meinem Inneren immer mehr zunahm, glaubte ich zu wissen, wie ihren Opfern zumute gewesen sein mußte.
Endlich war das Glas geleert, und schwankenden Schrittes ging ich auf die Tür zu, die Bennett mir aufhielt. Draußen legte er mir den Arm um die Schulter.
»Die alte Spanieldame ist bestimmt noch nicht wieder bei sich«, sagte er. »Wir fahren schnell zu mir nach Hause und essen eine Kleinigkeit – ich habe Hunger.«
Tief in die weichen Polster des Bentley gelehnt, die Hände über dem aufgeblähten Leib verschränkt, sah ich uns an erleuchteten Schaufenstern vorübergleiten, die bald hinter uns zurückblieben; um uns war jetzt die Dunkelheit des offenen Landes. Wir hielten vor einem wunderschönen Grausteinhaus in einem typischen Yorkshire-Dorf, und Bennett führte mich hinein.
Er schob mich zu einem Ledersessel. »Machen Sie’s sich bequem, mein Freund. Zoe ist im Augenblick nicht zu Hause, aber ich hol uns was zu essen.« Er eilte in die Küche und kehrte wenig später mit einer großen Schüssel zurück, die er auf ein Tischchen neben meinem Sessel stellte.
»Glauben Sie mir, Jim«, sagte er, »auf Bier gibt’s nichts Bessres als ein paar Essigzwiebeln.«
Ich warf einen furchtsamen Blick in die Schüssel. Bei diesem Mann schien alles überlebensgroß zu sein, sogar die Zwiebeln. Sie waren größer als ein Golfball, bräunlichweiß und glänzend.
»Vielen Dank, Mr. Ben... Granville.« Ich nahm eine, hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger und starrte sie hilflos an. Das Bier schwappte noch immer in meinem Magen, und ich hatte das Gefühl, nicht einen Bissen hinunterbringen zu können.
Granville steckte sich eine Zwiebel in den Mund, zermalmte sie rasch mit den Zähnen und hatte sie kaum hinuntergeschluckt, da biß er schon in die zweite. »Gott, schmeckt das herrlich! Meine Frau ist wirklich eine exzellente Köchin. Sie macht die besten Essigzwiebeln der Welt.«
Zufrieden schmatzend ging er zum Büfett und hantierte eine Weile klirrend herum, dann reichte er mir ein schweres Kristallglas, das zu etwa zwei Drittel mit unverdünntem Whisky gefüllt war. Ich konnte kein Wort des Protestes hervorbringen, denn ich hatte allen Mut zusammengenommen und mir eine Zwiebel in den
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