Tierarzt
schallendes Bellen hören.
»WAU!« machte Gyp. Wir alle waren höchst überrascht.
»Habt ihr das gehört?« Mrs. Wilkin sah uns verblüfft an.
»Nicht zu fassen!« stieß ihr Mann hervor und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seinen Hund.
Gyp schien sich nicht bewußt zu sein, daß er irgend etwas Ungewöhnliches getan hatte. Er war viel zu sehr von dem Wiedersehen mit Sweep in Anspruch genommen, und es verstrich keine Minute, da wälzten sich die beiden Hunde wie in alten Zeiten in spielerischem Ringkampf auf dem Gras.
Wahrscheinlich nahmen Mr. Wilkin und seine Frau genau wie ich an, in Zukunft werde Gyp wie jeder andere Hund Laut geben, aber das war nicht der Fall.
Sechs Jahre später, als ich wieder einmal auf dem Hof war und mir im Haus heißes Wasser holen wollte, sah ich Gyp vor dem Küchenfenster in der Sonne liegen.
»Hat er eigentlich seit damals noch mal wieder gebellt?« fragte ich Mrs. Wilkin, als sie mir den Eimer reichte.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nicht ein einziges Mal. Ich dachte immer, er tut es noch einmal, aber inzwischen habe ich die Hoffnung aufgegeben.«
»Nun, das macht auch nichts. Aber den Nachmittag bei der Prüfung werde ich nicht vergessen«, sagte ich.
»Ich auch nicht!« Sie sah Gyp an, und ihre Gesichtszüge bekamen etwas Weiches, als ihr die Sache wieder einfiel. »Armer Kerl!« sagte sie. »Hat mit seinen acht Jahren nur ein einziges Mal gebellt!«
Kapitel 21
Ein volles Wartezimmer! Aber meine freudige Erregung legte sich rasch, als ich merkte, daß lediglich die Dimmocks wieder einmal vollzählig erschienen waren.
Ich hatte die Bekanntschaft dieser Familie gemacht, als ich eines Abends zu einem Hund gerufen wurde, der von einem Wagen angefahren worden war. Die Straße lag im alten Teil der Stadt, und als ich auf der Suche nach der Hausnummer langsam an den halbverfallenen kleinen Häusern entlangfuhr, wurde plötzlich eine Tür aufgerissen, und drei kleine Strubbelköpfe kamen heftig winkend herausgelaufen.
»Er ist hier drin, Mister!« stießen sie einstimmig hervor und erzählten sofort, was geschehen war.
»Es ist Bonzo!« – »Ein Wagen hat ihn angefahren!« – »Wir mußten ihn reintragen, Mister!« Erregt auf mich einredend, hingen sie alle drei an mir und zerrten an meiner Jacke, während ich das Gartentor öffnete und leicht wankend auf das Haus zuging; voller Verblüffung sah ich auf das Fenster, hinter dem weitere Kinder sich mir mit lebhaftem Mienenspiel und wild gestikulierenden Armen verständlich zu machen suchten.
Noch auf der Schwelle wurde ich von zahllosen kleinen Händen gepackt und dorthin gezogen, wo sich mein Patient befand.
Bonzo saß aufrecht auf einer zerfetzten Wolldecke. Er war ein großes, zottelhaariges Tier von unbestimmbarer Rasse, und obwohl ihm, soweit ich das auf den ersten Blick beurteilen konnte, nicht viel zu fehlen schien, trug er einen ergreifenden Ausdruck von Selbstmitleid zur Schau. Ich tastete Beine, Becken, Rippen und Wirbelsäule ab: er hatte sich nichts gebrochen. Die Schleimhäute hatten eine gesunde Farbe, und es gab keinerlei Anzeichen einer inneren Verletzung. Eine leichte Prellung an der linken Schulter war das einzige, was ich entdecken konnte. Regungslos wie eine Statue hatte Bonzo dagesessen und die Untersuchung über sich ergehen lassen, aber sobald ich fertig war, ließ er sich auf die Seite fallen und sah, laut mit dem Schwanz auf die Decke klopfend, schuldbewußt zu mir auf.
»Du bist ein lieber großer, ganz schön verwöhnter Hund«, sagte ich, und der Schwanz klopfte schneller.
Ich wandte mich um und musterte das Gedränge um mich herum, und nach einer Weile gelang es mir, die Eltern zu entdecken. Die Mutter kämpfte sich nach vorne, während der Vater, eine kleine, zarte Gestalt, mir über die Köpfe hinweg zulächelte. Ich machte ein paarmal energisch »Pst!«, und als der Lärm sich legte, wandte ich mich an Mrs. Dimmock.
»Er hat anscheinend Glück gehabt«, sagte ich. »Ich kann keine ernsthafte Verletzung finden. Vermutlich hat der Wagen ihn umgestoßen, und er war leicht benommen. Oder er hat einen Schock erlitten.« Sofort brach das Getöse wieder los. »Wird er sterben, Mister?« »Was hat er?« – »Was geben Sie ihm?«
Ich injizierte Bonzo, der ein Bild des Jammers bot, ein leichtes Beruhigungsmittel, während die zerzausten Köpfe besorgt auf ihn hinunterblickten und zahllose kleine Hände sich ausstreckten, um ihn zu streicheln.
Mrs. Dimmock brachte mir eine
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