Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
Schüssel mit heißem Wasser, und beim Händewaschen hatte ich zum erstenmal Gelegenheit, mir in aller Ruhe die Familie zu betrachten. Ich zählte elf kleine Dimmocks, das älteste Kind ein etwa fünfzehnjähriger Junge, das jüngste im Krabbelalter; nach der vielsagenden Rundung vor Mrs. Dimmocks Leib zu schließen, würde die Zahl sich bald erhöhen. Alle steckten in abgetragenen Sachen, in gestopften Pullovern, geflickten Hosen, zerrissenen Kleidern, aber nichtsdestoweniger hatte man den Eindruck uneingeschränkter Lebensfreude.
    Bonzo war offensichtlich nicht das einzige Tier, das sie hatten: Ich traute kaum meinen Augen, als zwischen den Kinderbeinen ein weiterer großer Hund und eine Katze mit zwei halbwüchsigen Jungen auftauchten. Man hätte denken sollen, bei so vielen Mündern, die gestopft werden mußten, bliebe für Tiere kein Platz.
    Aber die Dimmocks machten sich über so etwas keine Sorgen: Sie taten das, was ihnen Spaß machte, alles andere scherte sie nicht. Der Vater hatte, das erfuhr ich später, noch nie in seinem Leben einen Finger gerührt. Er hatte einen ›schlimmen Rücken‹ und führte, wie mir schien, ein recht angenehmes Leben, streifte tagsüber ziellos durch die Stadt und verbrachte die Abende bei einem Bier und einer Partie Domino im ›Four Horse Shoes‹.
    Ich sah ihn häufig: man erkannte ihn sofort an dem Spazierstock, den er immer bei sich trug und was ihm ein würdevolles Aussehen verlieh. Mit lebhaften, zielbewußten Schritten ging er dahin, als ob er etwas Wichtiges vorhätte.
    Ich warf einen letzten Blick auf Bonzo, der noch immer ausgestreckt auf seiner Decke lag und mich mit seelenvollen Augen ansah, dann bahnte ich mir meinen Weg zur Tür.
    »Ich glaube, es gibt keinen Grund zur Sorge«, rief ich über das Geplapper hinweg, das rasch wieder begonnen hatte, »aber ich schau auf jeden Fall morgen noch einmal vorbei.«
    Als ich am nächsten Vormittag vor dem Haus hielt, sah ich Bonzo mitten unter den Kindern, die im Garten Ballwerfen spielten. Begeistert sprang er hoch und schnappte danach.
    Er hatte durch seinen Unfall offensichtlich keinen Schaden erlitten, aber als er mich das Gartentor öffnen sah, zog er den Schwanz ein, knickte in die Knie und schlich ins Haus. Die Kinder begrüßten mich stürmisch.
    »Sie haben ihn gesund gemacht, Mister!« – »Es geht ihm jetzt wieder gut, nicht wahr?« – »Er hat heute morgen ganz viel zum Frühstück gefressen, Mister!«
    Kleine Hände zogen mich am Ärmel ins Haus. Bonzo saß kerzengerade in der gleichen Haltung wie am Abend zuvor auf seiner Decke, aber als ich mich ihm näherte, sank er kraftlos in sich zusammen, blieb auf der Seite liegen und sah mit einem gequälten Ausdruck zu mir auf.
    Lachend kniete ich neben ihm nieder. »Du bist ein Komödiant, wie er im Buche steht, Bonzo, aber mir kannst du nichts vormachen. Ich hab dich draußen herumtoben sehen.«
    Vorsichtig berührte ich die geprellte Schulter, und er schloß zitternd die Augen, was offenbar besagen sollte, daß er sich in sein Schicksal ergeben habe. Ich stand auf, und als er merkte, daß er keine weitere Spritze bekam, erhob er sich sofort und schoß in den Garten hinaus.
    Die Familie brach in lautes Freudengeschrei aus, alle sahen mich mit unverhohlener Bewunderung an. Offensichtlich waren sie der Meinung, daß ich Bonzo den Klauen des Todes entrissen hatte. Mr. Dimmock löste sich aus der Menge.
    »Sie werden mir eine Rechnung schicken, nicht wahr?« sagte er mit der ihm eigenen Würde.
    Ich hatte am vergangenen Abend, kaum daß ich den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, beschlossen, von diesen Leuten kein Geld zu fordern, und hatte den Besuch nicht einmal ins Buch eingetragen; aber jetzt nickte ich ernst.
    »Ja, Mr. Dimmock, das werde ich tun.«
    Und obwohl in all den Jahren, da ich die verschiedensten Tiere behandelte, niemals irgendeine Summe den Besitzer wechselte, sagte er stets das gleiche: »Sie werden mir eine Rechnung schicken, nicht wahr?«
     
    Von da an standen die Dimmocks und ich in engen Beziehungen. Sie hatten offensichtlich eine große Zuneigung zu mir gefaßt und hatten das Bedürfnis, mich sooft wie möglich zu sehen. In regelmäßiger Folge brachten sie mir eine bunte Auswahl von Hunden, Katzen, Wellensittichen und Kaninchen in die Sprechstunde, und als sie merkten, daß meine Dienste kostenlos waren, erhöhten sie die Zahl ihrer Besuche noch; und wenn einer kam, kamen alle. Ich war eifrig bemüht, unsere Kleintierpraxis zu erweitern,

Weitere Kostenlose Bücher