Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
übermenschlichen Überredungskunst, bis so ein Tier wieder Vertrauen fasst. Jäger können ein mehrstrophiges Lied über die unglaubliche Intelligenz und das Misstrauen von Wildschweinen singen. Ein genauer Plan vor dem ersten Kontakt mit ihnen bewährt sich unbedingt.
Mit einem Ferkel zu arbeiten und es auf ein Drehbuch hin zu trainieren, gehört definitiv zu meinen Lieblingsaufgaben. Immer habe ich diese sozialen Tiere mit der Methode der Familienintegration bei mir aufgenommen. Ein Rund-um-die-Uhr-Zusammenleben mit so einer kleinen Drecksau ist eine wahrhafte Herausforderung für die ganze Umgebung. Aber auch eine Freude. Inmitten des Vorbereitungstrainings für den Kinofilm »666 – Traue keinem, mit dem du schläfst!«, in dem die kleine Hilde, das schwarz gefleckte Glücksschwein, zusammen mit Claudia Schiffer, Boris Becker und Jan Josef Liefers die eine oder andere lustige Szene zu bestreiten hatte, war ich eines Abends auf einem rauschenden Fest mit dem Filmteam in München eingeladen. Hilde konnte ich keinesfalls allein zu Hause lassen, das wäre für so ein Ferkel eine Katastrophe. Aber deswegen auf die Party verzichten? Ich beschloss, zumindest mal vorbeizuschauen und Hilde als Überraschungsgast mitzunehmen. Sie amüsierte sich prächtig. Sie lief mir nach und ließ
sich bewundern – Wer ist denn die nette Kleine? Diese hohen Hacken! Dieses süße Schnäuzchen! … Ich setzte mich bald im Schneidersitz auf den Boden, Sekunden später saß sie auf mir – und schlief ein. Auch da noch lagen ihr die Männer zu Füßen, sie war das begehrteste weibliche Wesen im Saal. Beide gingen wir später trotzdem ungeküsst ins Bett.
Vorsicht Kamera!
Man kann bestens planen, durchdacht trainieren, Wissen und Erfahrung aus Jahrzehnten abrufen – am Ende ist es immer auch ein Quäntchen Glück (oder Unglück), wie es läuft. Von Pleiten, Pech und Pannen kann ich daher natürlich auch berichten.
Des Pudels Locken
Der 2011 verstorbene Bernd Eichinger wollte einen schwarzen Königspudel im Afrolook für eine seiner großen Kinoproduktionen. Er bekam Prinz, und so ließ ich also des Pudels Locken wachsen. Es dauert bis zu einem Jahr, bis sich Pudellocken in Rastalocken verwandeln. Zwei Wochen nach den Dreharbeiten befreite ich Prinz von seinem zottigen, verfilzten Fell, was ihm nicht wirklich gut zu Gesicht stand, da er nun quasi nackt war. Aber was sein muss, muss sein. Mutig hatte ich den Scherkopf auf die kürzeste Stufe eingestellt und scherte munter drauflos. Keine vierundzwanzig Stunden später meldete sich die Produktionsfirma erneut und kündigte einen Nachdreh an, für den man den Rastalocken-Pudel benötigte.
»Anschluss« sagen wir beim Film, wenn die Details völlig identisch aussehen müssen wie auf dem Material, das bereits im Kasten ist. Um Anschlussfehler zu vermeiden, ist bei jedem
Film eigens eine Continuity-Mitarbeiterin am Set, die dafür Sorge trägt, dass jeder Knopf an der Kleidung der Schauspieler dort sitzt, wo er vorher war, dass auf dem gedeckten Tisch haargenau die gleiche Serviette liegt wie bei den früheren Dreharbeiten und dass jedes Härchen am selben Platz ist, wo es war, bei Mensch und – und jetzt wird es für mich peinlich – Hund. Weit und breit konnte ich keinen Königspudel im Rastalocken-Look finden. Der Hund sollte in der Anfangsszene des Films auf ein breites Brückengeländer springen und sich dort niederlassen.
Zum Glück sind bei einer solchen Einstellung die Größenverhältnisse für den Betrachter nicht erkennbar, und das Produktionsbüro und die Continuity-Dame drückten zusammen zwei Augen zu. Wir färbten die beigen, langen Locken eines meiner Mischlings-Filmhunde mit Lebensmittelfarbe schwarz. Flaucher sprang als Königspudel auf das steinerne Geländer und … Nein, den Teufel werde ich tun, zu verraten, um welchen Film es sich handelt. Teuflisch gut ist dieser Streifen allemal.
Rettung in allerletzter Sekunde
Meine Kollegin Conny war samt Filmhund im Wiener Hilton untergebracht. Der letzte Drehtag war vorbei, die Abreise stand bevor. Den gepackten Koffer im Schlepptau, den Hund an der Leine, eine Tasche über der Schulter, wollte Conny in den Fahrstuhl steigen, als ihr die Leine entglitt, die Fahrstuhltüren sich wie für immer schlossen und die Hälfte der Leine auf der anderen Seite des Lebens hing. Drei arabische, verschleierte Frauen und ihr etwas übellauniger Begleiter standen schon im Fahrstuhl und drängten sich ängstlich ob des »unsauberen«
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