Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
ein Brieflein bei meinen Eltern eintraf.
Komme ich heute mit Reptilien, Insekten, Ratten oder Mäusen an ein Filmset, weiß ich schon, was mich erwartet. Mindestens eine Mitarbeiterin aus dem Team rennt kreischend davon und ich rutsche in die Lausbubenrolle und freue mich diebisch, allerdings dezent. Sehr spannend wird es, wenn ich als »Spiderman« mit einer Vogelspinne ans Set gerufen werde. Diese Tiere haben immer die Rolle des Schreckens, des Ekels und der Gänsehaut zu erfüllen. Die betroffenen Schauspieler winden sich regelrecht, um jeden Körperkontakt mit dieser großen, schwarzen, haarigen Spinne zu vermeiden. Aber es hilft alles nichts, das Drehbuch und die Regie sind Chef am Set. Also setze ich die trainierte Spinne mit einem versteckten Schmunzeln auf nackte Arme oder Beine oder im »schrecklichsten« Fall auf den Bauch der Darsteller. Am schlimmsten trifft es die holde Weiblichkeit, mit aufgerissenen Augen starren sie unbeweglich auf das haarige Ungeheuer auf ihrer nackten Haut. Diese Starre ist dabei bestens, denn so hat das Tier keinen Grund, sich mit seinen haarigen acht Beinen festzuhalten oder
davonzulaufen. Ist eine Vogelspinne einmal auf der Flucht, bewegt sie sich so schnell wie eine Maus, und es wird schwierig, sie wieder einzufangen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass ich mit einem wirklich zahmen Tier ans Set komme, das viel Menschenkontakt gewohnt ist.
Mal schläft der Schauspieler laut Drehbuch und wird durch das Krabbeln der Spinne auf der Haut geweckt, gerät in Todesangst – und der Zuschauer im besten Fall mit. Manchmal muss sich der Darsteller mit einer hastigen Bewegung des Tieres entledigen und schlägt es dann laut Drehbuch tot. Meine Nelly wird dabei natürlich nicht totgeschlagen, sondern ihr Double. Dieser authentische Doppelgänger wird von Nelly selbst produziert, indem sie sich einmal pro Jahr häutet. Das Abfallprodukt dieser Häutung ist eine harte Schale, die wie ein Abguss dem Spinnenkörper zum Verwechseln ähnlich ist. Alle Gliederfüßer, zu diesen gehören die Theraphosidae , die Vogelspinnen, besitzen im Gegensatz zu uns Wirbeltieren ein Exoskelett, eine harte Chitinhülle, die nicht mitwachsen kann. Die Vogelspinne muss sich im Laufe ihres Lebens dieser harten Schale immer wieder entledigen, um weiterwachsen zu können. Im Wachstum befindliche Spinnen häuten sich mehrmals pro Jahr. Sie müssen ja auch groß und stark werden, um Angst und Schrecken verbreiten zu können.
Krabbelzoo auf acht Beinen
Heuschrecken, Käfer und Kakerlaken werden weniger angstvoll aufgenommen, jedoch spielt hier der Ekelfaktor die größte Rolle. Oft wird ein regelrechter Tanz aufgeführt, wenn ich die krabbelnden Vielfüßler aus dem Transportkorb hole. Sind die Scheinwerfer an, hat die Regie das Zauberwort »Bitte« ausgesprochen, ist die Klappe gefallen, wird jedoch der ungeliebte Käfer liebevoll aus dem Regenwasserfass gerettet oder die
Kakerlake zornig entlang der Küchenzeile verfolgt, unter die sie sich dann flüchtet. Für mich ist es immer wieder ein Anlass zu ausgelassener, wenn auch nur versteckt ausgelebter, diebischer Freude, wie manche Schauspieler eine regelrechte Phobie der Abteilung Krabbeltiere gegenüber entwickeln, manchmal muss ich einfach vor die Tür, um den anstehenden Lachanfall in kontrollierte Bahnen lenken zu können.
Für einen Fernsehfilm musste ich die Kakerlaken-Darsteller bei mir zu Hause trainieren und unterbringen. Gäste hatte ich zu dieser Zeit übrigens keine. Die quirligen Tiere sollten, laut Drehbuch, am Frühstückstisch eines verliebten Paares auftauchen und mit ihren langen Fühlern genussvoll in das reichhaltige Frühstücksangebot eintauchen. Man muss wissen, dass Kakerlaken einen strengen Geruch mit sich führen, ungefähr so wie ranzige Butter nach zwei Jahren duften würde. Die Schauspielerin, die ja eigentlich verliebt wie Julia sein sollte, musste sich zweimal vom Frühstückstisch entfernen, da sie den Geruch schlichtweg nicht aushielt. Laut Drehbuch sollte sie sich jedoch nicht übergeben, sondern beim Anblick der Kakerlaken hysterisch davonrennen. Das eine schloss das andere in dieser Szene zum Glück nicht aus.
Mit Haferflocken konnte ich meine trainierten Kakerlaken von A nach B locken. Die Startlinie befand sich hinter dem Nutellaglas, von da wurde bis zum gekochten Ei gespurtet, das gleichzeitig die Ziellinie darstellte. Ich ließ sie hinter dem Glas los und nach einer kurzen Orientierungsphase flitzten sie zum Ei, wo die
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