Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Haferflocken lagen. Mit ihrem starken Mundwerkzeug vernaschten sie die Köstlichkeit in Rekordzeit. Je öfter wir die Szene wiederholten, desto besser kannten die Tiere ihre Aufgabe, und ich konnte die Distanz zwischen Nutellaglas und gekochtem Ei vergrößern und den Tierchen so einen immer weiteren und für die Kamera interessanteren Weg zumuten – sehr zum Leidwesen der Schauspieler.
Woher ich Tiere wie diese Kakerlaken bekomme? Ein gut funktionierendes Netzwerk von Insektenzüchtern sorgt dafür, dass ich die Tiere nie aus ihren natürlichen Lebensräumen reißen muss. Vom riesigen Hirschkäfer über den fast ausgestorbenen Junikäfer bis hin zum kleinen Marienkäfer wird alles gezüchtet, was mehr als vier Beine hat. Durch die Prägung auf den Menschen sind diese Krabbelmonster auch sehr viel zahmer, was mir natürlich das Training erleichtert.
Wer ist die Längste im ganzen Land?
Chamäleon, Gecko und Bartagame tun zwar jeder Fliege etwas zuleide, denn das ist ihre Leibspeise, aber sonst sind es äußerst friedfertige Tiere. Trotzdem gibt es immer wieder kreischende Schauspielerinnen, die sich in ihr Wohnmobil flüchten und erst einmal nicht wiederkommen. So stehe ich also mit meinen friedlichen kleinen Drachen vor verschlossenen Tatsachen und harre der Dinge, bis sich die Tür freiwillig einen kleinen Spalt öffnet oder die Regie ein Machtwort spricht.
Susi ist eine Riesenpython, fünf Meter lang und knapp dreißig Kilo schwer. Dieses doch recht stattliche Tier musste ich für einen Kinofilm um den Hals einer Schauspielerin legen, die im Bauchtanzkostüm auf ihre Szene wartete. Sie tat mir unendlich leid, denn ihr Gesicht nahm die Farbe der weißen Wand an, sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, stotterte in die Kamera, es fehlte nicht mehr viel und sie hätte die Kontrolle über ihren Körper komplett verloren. Derweil betrachtete Susi, ganz in ihrem Element, züngelnd und sich windend, interessiert die Umgebung um den schönen Hals der Darstellerin. Ein ganzes Ferkel verspeist so eine Würgeschlange einmal im Monat, ich hatte durchaus Verständnis für die Schauspielerin und erklärte ihr geduldig, dass Susi bei ihren Besitzern frei lebt und als Haustier überall gemütlich die Sonne genießt und
niemandem nach dem Leben trachtet, abgesehen vom Ferkel. Die Szene war irgendwann drehbuchgerecht im Kasten, und alle haben überlebt.
Süßes Gift
Ab und zu möchte eine Filmproduktion Giftschlangen einsetzen. Die erste Frage lautet dann: Wie werden Team und Schauspieler vor unerwünschten, gefährlichen Bissen geschützt? Wird ein Serum am Set benötigt? Und ist das alles überhaupt versicherbar? Die Natur hat sich etwas ganz Besonderes zu diesen Fragen ausgedacht. Nicht direkt für Filmproduktionen, die aber dennoch davon profitieren. Es gibt nämlich sogenannte Blender, die sich durch die Evolution zusätzlich zu einer ganzen Menge von tatsächlich hoch giftigen Schlangen entwickelt haben. Beispielsweise gibt es für eine Kobra, deren Biss tödlich ist, eine Kopie in der Natur. Diese Tiere sehen den giftigen Verwandten zum Verwechseln ähnlich, sind jedoch völlig harmlos. Ihre Überlebensstrategie ist sehr einfach: Das täuschend ähnliche Äußere verhilft ihnen zu Respekt, sie schmücken sich mit fremden Federn, denn sie sind weder giftig noch aggressiv.
Doch so harmlos sind nicht alle. Der Taipan ist die größte Giftnatter Australiens, bis zu zwei Meter lang ist er gleichzeitig eine der giftigsten Schlangen überhaupt. Und genau so ein Taipan sollte für den Krimi »Der Unbestechliche« als Mordwaffe mehrere Opfer töten. Der Mörder wusste Bescheid, eigentlich ist der Taipan zwar scheu, wird aber sofort zubeißen, wenn er sich plötzlich mit Menschen konfrontiert sieht oder in die Enge getrieben wird. Dann wehrt sich die Schlange vehement und beißt oft mehrfach zu. Solch ein Taipan kam für den Dreh natürlich keinesfalls in Frage. Das Double heißt schlicht und ergreifend Erdnatter, es gleicht in Farbe und Größe dem
Taipan. Auch wenn die Erdnatter ganz schön angriffslustig ist und mit ihren spitzen Zähnen schmerzhafte nadelartige Bisse verteilt, so hat sie doch kein tödliches Gift parat. Erol Sander und seine Kollegen konnten also »in aller Ruhe« nach dem giftigen Mörder suchen.
Von Mäusen und Schauspielern
Knopfähnliche Augen, lustige, fast runde Ohren, eine lebhafte, immer in Bewegung befindliche kleine Nase mit drumherum tanzenden Barthaaren – ist das nicht ein reizendes
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