Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
mit dem Filmnachwuchs die Tätigkeiten, die der Bauer früher »einen Acker bestellen« nannte. Dabei kommt es mir natürlich nicht darauf an, dass es auf dem Acker dann kräftig grünt und gedeiht – ich wüsste ja auch gar nicht wohin mit der Ernte –, sondern dass die Tiere alle Kommandos unter schwierigeren Anforderungen zuverlässig ausführen. Sie werden vor den Pflug gespannt, den ich mit meinem ganzen Körpergewicht von immerhin fünfundachtzig Kilo beschwere. Und so führe ich sie mit einem feinen Seil, das am Zaumzeug befestigt ist, durch den Acker. Dabei ist meine Stimme das wichtigste Hilfsmittel: »Rechts«, »links«, »zurück«, »vor«, »langsam«, »schnell«, »Stopp« und »Start« gehören zum Standardrepertoire. Ein Kopfschütteln oder -nicken auf Befehl ist für Kühe schon die hohe Schule und bedeutet einen respektablen Ausbildungsstand.
Wie schon in frühen Kindertagen beobachte ich die Tiere natürlich auch in ihrem Alltag. Bei jeder nicht ganz so gewöhnlichen Verhaltensweise wäge ich ab, ob sie in meinen Trainingsplan passen könnte. Bemerke ich beispielsweise, dass eine Kuh mit Leichtigkeit den Riegel der Stalltür öffnen kann, lobe ich dieses Verhalten und verknüpfe es mit einem Kommando – es scheint mir sinnvoll, eine Kuh mit solch einer Fähigkeit zu haben. In Zukunft kann ich das »Stalltüröffnen« immer wieder abrufen. Die Konsequenz im Alltag bedeutet dann ein zusätzliches
Vorhängeschloss an der Stalltür, damit die Kuh nicht allen Geranien den Garaus macht.
Rehlein hatte kein Interesse an liebevoll gepflanzten Blümchen und ließ sich begeistert auf ihre Rolle vorbereiten. Da auch eine liebe Kuh mal schlechte Laune hat, begleitete uns Beppo, Rehleins Sohn, als Double zu den Filmaufnahmen. Die Geschichte des Drehbuchs erzählt, dass Rehlein alias Resi geschlachtet werden soll, und kein Geringerer als Chefkommissar Korbinian Hofer, gespielt von der gemütlich gewichtigen Erscheinung Joseph Hannesschlägers, sollte sie zum Schlachthof fahren. Doch da kommt ihm sein Neffe zuvor: Der Dreikäsehoch entführt Resi in die wunderschönen bayerischen Berge auf eine Hochalm.
Tapetenwechsel! Gerade noch im geschäftigen München, finden wir uns eine knappe Stunde später bei strahlendem Sonnenschein auf einer spartanischen, noch einsamen Hochalm wieder. Über den Wolken scheint die Freiheit wohl grenzenlos – wie wahr! Wäre da nicht das vierzig Mann starke Filmteam, das die zweihundert Jahre alte Hochalm förmlich zum Wanken bringt und die ohnehin vom Aussterben bedrohte Ruhe jäh durchbricht. Um Rehlein nicht den ganzen Tag der heißen Sommersonne hoch oben auf dem Berg auszusetzen, war im Wechsel mit ihr Beppo im Einsatz. Ein übermütiger Kerl von zwei Jahren, der seine Auftritte ziemlich spannend gestaltete. In seinem jugendlichen Leichtsinn konnte er den Ernst seiner Aufgabe nicht recht einschätzen, er hatte Energie ohne Ende, hoppelte wild umher und tat immer den touch too much, der der geplagten Regie ein – nicht unbedingt aus der Begeisterung geborenes – »Nochmal, bitte« entlockte. Aber es war die reine Freude, seiner ungestümen Sorglosigkeit zuzusehen.
Ein schier lebensnotwendiges Utensil bei Aufnahmen mit Kühen und Pferden ist Autan, ein Spray gegen fliegende Nervensägen. Die berühmt-berüchtigten Pferdebremsen scheinen den
ganzen Sommertag über nichts Besseres zu tun zu haben, als die armen Weidetiere zu nerven und ihnen das Blut auszusaugen. Aber nicht mit mir – die Anstaltspackung Autan verhindert, dass die anscheinend von Vampiren abstammenden Bremsen zum Ziel kommen. So entspannen sich die vierbeinigen Stars, und ich erreiche für sie die Komfortzone, in der sie den Schauplatz Drehort positiv besetzen und gut mitarbeiten. Zurück zum Drehbuch: Nachdem der gestrenge Onkel erlaubt hat, dass Resi am Leben bleiben darf, führt der kleine Neffe die brave Resi mitten durch Rosenheim City zurück nach Hause, out of Rosenheim quasi, auf den Spuren von Marianne Sägebrecht. Aber ganz so einfach gestaltet sich der Rückmarsch natürlich nicht: Wie es der Zufall will, ist gerade Wochenmarkt. Zum Leidwesen der Marktfrauen bedient sich Resi schnell mal hier und mal da an den verschiedenen Gemüseständen. Klar, wann ergibt sich für Resi schon mal eine solche Gelegenheit? Diese genüssliche Reise über den Rosenheimer Markt hat unübersehbare Folgen: Stände fallen um, Äpfel, Kohlköpfe, Pfirsiche, Trauben und Kartoffeln fliegen durch die Luft.
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