Tiere
niemand mehr wohnen, und ich hätte am liebsten gerufen: «Doch, hier wohnt noch jemand!», und kaltes Wasser über die beiden geschüttet, damit sie aufhörten. Ich wollte nicht zuschauen. Ich wollte weggucken, ehrlich, aber ich hatte das gleiche Schwindelgefühl wie damals, als sich Karen auf den Schreibtisch gesetzt hatte. Die Beineder Frau, die sie um den Mann geschlungen hatte, sahen total weiß aus, aber ihre Arme wirkten im Gegensatz zu seinem Hemd eher dunkel. Ich konnte sie auch stöhnen hören, und dann machte der Mann «Ah, ah, ah», und kurz darauf stellte die Frau ihre Füße wieder auf den Boden.
Sie standen noch eine Weile dort und richteten ihre Sachen. Der Mann sah aus, als würde er nach dem Pinkeln seine Hose zumachen. Dann kamen sie aus dem Dunklen, und ich konnte sie kurz anschauen, ehe ich vom Vorhang zurückwich, damit sie mich nicht sahen. Die Frau wirkte überhaupt nicht schlampig. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber sie war gut angezogen, als wäre sie fein aus gewesen. Sie hatte nicht so einen knappen Minirock an wie die Frauen, die es für Geld machen. Gerade als sie gingen, spähte ich wieder durch den Vorhang. Ich konnte sie nicht durch das Tor gehen sehen, aber ich hörte es quietschen. Ich hatte keine Ahnung, wie sie hereingekommen waren, denn ich war mir sicher, dass ich das Tor abgeschlossen hatte, als ich von der Müllkippe zurückgekommen war. Ich fragte mich, ob sie es aufgebrochen hatten, und wurde echt wütend. Ich hätte sie in den Keller stecken sollen. Da gehören solche wie sie hin.
Ich ging wieder ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. Es war so heiß und schwül, dass ich die Decke wegstieß. Aber es half nichts. Ich musste die ganze Zeit daran denken, wie die beiden es draußen getrieben hatten und dass sie dafür nicht einmal in ein Schlafzimmer gegangen waren. Ich sah die weißen Beine der Frau vor mir. Sie erinnerten mich an Karens Beine, obwohl ihre viele brauner sind. Ich dachte daran, wie sie auf dem Tisch vor mir gesessen hatte und ich ihr Höschen sehen konnte, und fragte mich plötzlich,wie es sich wohl anfühlen würde, wenn ihre Beine um mich geschlungen wären. Ich schämte mich sofort und versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Aber es ging nicht. Ich sah die ganze Zeit diese schrecklichen Bilder von Karen vor mir, und dann kam mir auch noch Cheryl in den Sinn. Ich versuchte, an etwas anderes zu denken, aber es funktionierte nicht. Ich begann, an richtig böse Sachen zu denken, um mich zu bestrafen und abzulenken. Ich dachte daran, wie meine Mama mich geschlagen hatte, als ich mit zerrissenen Sachen von der Schule heimkam, nachdem Wayne Clark mich verprügelt hatte, und wie mein Papa mich angeguckt hatte, als ich sagte, ich hätte nicht einmal zurückgeschlagen. Ich dachte daran, wie ich eines Nachts gehört hatte, dass sich meine Mama und mein Papa stritten, ob sie mich auf eine Sonderschule schicken sollen, und wie ich mich gefühlt hatte, als ich älter wurde und herausfand, was eine Sonderschule ist. Ich dachte daran, wie ich bei einer geschlossenen Veranstaltung ein Tablett voll Pints fallen ließ und alle über mich lachten, auch mein Papa, bis er mich in die Küche schickte und sagte: «Mein Gott, kannst du nicht wenigstens
versuchen
, normal zu sein?» Ich dachte daran, wie meine Mama mit mir schimpfte, und ich versuchte immer noch, an etwas anderes zu denken, als ich einschlief.
Kapitel 13
A ls ich aufwachte, war ich total trübsinnig. Ich mag Sonntage nicht. Selbst im Fernsehen ist bis zum Nachmittag nicht viel los. Als Kind war es noch schlimmer, denn meine Mama wollte abends, bevor der Pub aufmachte, unbedingt die ganzen religiösen Sendungen sehen. Sie ging zwar nie zur Kirche oder so, aber sie war trotzdem religiös. Ganz egal, welche Sendungen auf den anderen Programmen liefen, meine Mama musste immer
Lobgesänge
oder so was gucken. Ich war jedes Mal froh, wenn es halb acht wurde und sie runterging, um meinem Papa hinter der Theke zu helfen.
Dieser Sonntag war nicht so schlimm, denn am nächsten Tag war Feiertag, und Cheryl und Karen wollten ja kommen. Wenn ich an ihren Besuch dachte, wurde ich ganz aufgeregt, es reichte aber nicht, um meine Sonntagslaune aufzuheitern. Noch dazu war es draußen bewölkt.
Beim Frühstück in der Küche las ich meinen
Spiderman -Comic
zu Ende. Nicht mal der war besonders spannend, und als ich fertig war, überlegte ich, was ich tun sollte, bis im Fernsehen etwas Gutes lief. Ich hasse es, wenn ich
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