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Tiere

Tiere

Titel: Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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sagen. «Ach», sagte ich. Etwas anderes fiel mir nicht ein. Ich erinnerte mich ja nicht an sie.
    «Das ist lange her, und wir sind vor euch dort weggezogen. Wahrscheinlich erinnerst du dich nicht an uns», sagte sie. «Nein», antwortete ich. Es war mir ein bisschen peinlich, aber es hatte auch keinen Zweck, ihr etwas vorzumachen. Sie hatte sich immer noch halb aus dem Wagen gelehnt, dann drehte sie sich zu dem Mann um. «Ist er seiner Mutter nicht wie aus dem Gesicht geschnitten, George?» Der Mann reckte seinen Hals, damit er mich sehen konnte, und sagte: «Ja.» Da er wie sie lächelte, dachte ich, ich sollte es auch tun, und so lächelten wir drei uns eine Weile an. Ich wünschte, sie würden weiterfahren, denn mein Gesicht begann schon wehzutun, aber sie blieben einfach dort im Wagen sitzen und lächelten mich an. Es war ein alter Wagen, der aber total sauber war und glänzte. Das Innere roch nach diesen Luftauffrischern, von denen mir immer ein bisschen übel wird. Auch in diesem Moment, als ich einfach nur dastand. Ich konnte das Ding vom Spiegel an der Windschutzscheibe baumeln sehen, es bestand aus zwei großen blauen Kugeln, die wie Juwelen aussahen. Schade, dass mir davon übel wird. Sonst hätte ich so ein Ding in den Keller hängen können, um etwas gegen den Gestank zu machen.
    «Das mit deiner Mutter hat mir wirklich leidgetan», sagte die Frau nach einer Weile. Während sie es sagte, hörte sieauf zu lächeln und setzte eine traurige Miene auf. «Und das mit deinem Vater», sagte sie und sah noch trauriger aus. «Das muss wirklich ein harter Schlag für dich gewesen sein, wo die beiden doch noch so jung waren.»
    Ich wollte nicht darüber sprechen. Besonders nicht mit Fremden. Aber immerhin konnte ich jetzt mit dem Lächeln aufhören. «Aber man muss mit solchen Dingen einfach fertigwerden, nicht wahr? Wenn der Herr entscheidet, dass unsere Zeit gekommen ist, dann steht es uns nicht zu, seine Entscheidung in Frage zu stellen, oder?», sagte sie. Ich fand das ein bisschen komisch, aber ich nickte nur. «Bist du ein Kirchgänger?»
    Ich hasse solche Fragen. «Eigentlich nicht», sagte ich.
    Sie schaute mich etwas streng an, aber immer noch freundlich, und sagte: «Eigentlich nicht? Eigentlich nicht ist nicht gut. Feiglinge gewinnen keine Kämpfe, oder?» Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte, aber ich sagte, sie habe wohl recht. «Du solltest in die Kirche gehen», sagte sie. «Deine Mutter würde es wollen, meinst du nicht? Sie war immer eine Frau der Kirche.»
    Ich hätte fast gesagt, dass sie schon damals, als ich noch ganz klein war, nicht zur Kirche gegangen ist, aber ich wollte nicht, dass die Frau schlecht von meiner Mama denkt. Sie hatte an Gott und Jesus und so weiter geglaubt, und ich schätze, das ist das Gleiche.
    «Wir gehen in unser Gemeindehaus», sagte sie. «Du solltest mal vorbeischauen. Ich weiß, dass sich deine Mutter darüber freuen würde. Wir können dich gerne mitnehmen, nicht wahr, George?» Sie drehte sich wieder zu ihrem Mann um. Er saß immer noch vorgebeugt da, damit er mich sehen konnte. Beide begannen wieder zu lächeln.
    Er nickte. «Ja.» Ich stellte fest, dass er eine total hohe Stimme hatte. «Aber bedränge den jungen Mann doch nicht, Hilda. Es ist seine Entscheidung. Jeder hat das Recht, für sich zu entscheiden.»
    Ich glaube, der Frau gefielen seine Worte nicht, denn ihr Mund wurde mit einem Mal ganz schmal. Dann lächelte sie mich wieder an. «Und wo willst du gerade hin?»
    «Nach Hause», sagte ich. Die Frau guckte den Einkaufswagen an, als hätte sie ihn vorher noch nicht bemerkt. Ich konnte ihr ansehen, dass sie sich fragte, was ich damit mache. Außerdem fiel mir auf, wie sie mit einem komischen Blick mein T-Shirt betrachtete. Es war alt und ein bisschen schmutzig, weil ich nie gute Sachen anziehe, wenn ich zur Müllhalde gehe. Trotzdem schämte ich mich ein bisschen.
    Sie sagte aber nichts über das T-Shirt oder den Einkaufswagen. «Wo wohnst du denn jetzt?», fragte sie.
    «Immer noch im Pub», erwiderte ich. Diese Vorstellung gefiel ihr wohl nicht, denn sie sagte: «Ach», und es klang ein bisschen steif. Dann fragte sie: «In dem gleichen Pub, den deine Eltern damals übernommen haben?» Ich nickte. Sie und der Mann schauten sich an, als hätten sie etwas Übles gerochen oder so.
    «Aber du betreibst den Pub nicht mehr, oder?», fragte sie, und als ich nein sagte, wirkte sie zufrieden. Warum, wusste ich nicht. Es ging sie ja nichts an. Ich

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