Tiere
erledige alle möglichen Arbeiten. Fotokopieren, dasmache ich oft. Und Faxe einsammeln. Solche Sachen eben. Zuerst wurde ich in die dritte Etage gesteckt und hatte ein bisschen Angst, dass ich was falsch machen könnte. Abgesehen von mir schien jeder genau zu wissen, was er zu tun hat. In der ersten Woche verursachte ich beim Fotokopieren ein totales Chaos. Ich habe keine Ahnung, wie es passiert ist, aber am Ende waren alle Seiten in der falschen Reihenfolge und die Kopien mit den Originalen vermengt. Als ich merkte, was ich angerichtet hatte, versuchte ich den ganzen Haufen zu ordnen, machte aber alles nur noch schlimmer. Ich war den Tränen nahe, als Mrs. Lepping kam. Ich dachte, ich werde gefeuert, und wusste nicht, wie ich es meiner Mama sagen soll.
Aber Mrs. Lepping machte keinen Aufstand. Sie sagte nur: «Oh, meine Güte, da haben wir wohl alles durcheinandergebracht, was, Nigel?» Ich sagte ja, und sie meinte, ich solle nicht den Kopf hängen lassen. Dann holte sie jemanden, der mir beim Sortieren half. Ich mochte Mrs. Lepping wirklich gern und war traurig, als sie ging, weil sie ein Baby bekam. Mr. Standing, der ihre Stelle übernahm, war auch in Ordnung. Aber nicht so nett wie sie.
Bevor bei der Arbeit alles umgekrempelt wurde, hatte ich nie mit Cheryl und Karen gesprochen. Nicht nur auf unserer Etage wurde alles anders, sondern im ganzen Amt. Ich landete in der fünften, um für Mr. Dewer zu arbeiten. Obwohl ich dort die gleiche Arbeit mache, wäre meine Mama stolz gewesen, denn in den Etagen aufzusteigen ist praktisch eine Beförderung. Doch am Anfang gefiel es mir nicht. Die Fax- und Kopiergeräte waren anders, außerdem kannte ich keinen. Es war wieder wie damals, als ich eingeschult wurde. Und Mr. Dewer mochte ich auch nicht. Er sieht aus, als hätteer anstelle von Augen Glaskugeln, und will mir ständig was anhängen. Wenn er einem eine Arbeit aufträgt, ist seine Stimme ganz ruhig, aber es klingt immer so, als solle man bloß nicht wagen, etwas falsch zu machen. Als ich einmal stolperte und ein Tablett mit Kaffee auf das Faxgerät fallen ließ, ist er ausgeflippt, obwohl es nicht meine Schuld war. Schließlich hat niemand seine Handtasche auf den Gang zu legen.
Das einzig Gute war, dass ich jetzt im gleichen Stockwerk war wie Cheryl und Karen. Ich hatte sie schon ein paarmal gesehen, in der Kantine oder im Fahrstuhl, aber noch nie mit ihnen gesprochen. Sie hängen immer zusammen rum, und ich finde beide echt hübsch. Karen ist groß und schlank und hat dunkles Haar, Cheryl hat blondes Haar und ist kleiner und ein bisschen mollig. Nicht fett oder so, nur schön.
Ich weiß noch genau, was die ersten Worte waren, die Cheryl zu mir sagte. Ich hatte gerade ein neues Blatt auf den Kopierer gelegt, als sie kam und sagte: «Bist du bald fertig?» Ich nickte, und sie lächelte und sagte: «Danke. Wir wollen ja Seine Hoheit nicht warten lassen.» Zuerst wusste ich nicht, was sie meinte, dann wurde mir aber klar, dass sie über Mr. Dewer gesprochen hatte. Sie hatte sich mit mir über ihn lustig gemacht, und das hat mir sehr gefallen. Ich meine, sie hätte ja nicht freundlich sein müssen, oder?
Danach hat sie immer hallo gesagt und gelächelt, wenn ich an ihrem Schreibtisch vorbeikam. Manchmal gehe ich auch dort vorbei, wenn ich es eigentlich gar nicht muss, obwohl ich dann rot werde. Karen sitzt neben ihr, und ich weiß nicht genau, ob ich Karen mag oder nicht. Ihr Gesicht ist nicht so nett wie Cheryls, nicht so freundlich. Man weißbei ihr nie, ob sie sich lustig über einen macht. Bis Cheryl mich zu grüßen begann, ignorierte sie mich, aber seitdem grinst sie, wenn ich vorbeigehe. Sie lächelt nicht wie Cheryl, sondern grinst, als würde sie etwas Unanständiges wissen. Dadurch werde ich noch röter. Sie sagt so Sachen wie: «Na, gestern Abend einen draufgemacht, Nigel?», oder: «Dieses Wochenende ab nach Monte Carlo?», und so weiter.
Und auch sonst verhält sie sich komisch. Einmal legte ich gerade ein paar Papiere in einen Aktenschrank, als Karen vorbeiwollte. Sie schlug mir auf den Hintern und sagte: «Na los, beweg deinen Arsch.» Dann, ehe ich mich rühren konnte, begann sie sich vorbeizuzwängen. Allerdings beeilte sie sich nicht, und als ich mich an die Wand drückte, damit sie mehr Platz hatte, blieb sie stehen und sagte: «Was ist los, Nigel? Ich störe dich doch nicht, oder?» Ich schüttelte den Kopf, und sie fragte: «Und warum wirst du dann rot?» Sie wusste genau,
Weitere Kostenlose Bücher