Tiere
das Dicke: «Ich habe nicht gelacht. Es waren die anderen,nicht ich», und ich war echt froh, denn damit hatte ich eine Ausrede, um mich abzuwenden und irgendwo anders hinzugucken.
«Mein Gott, bist du erbärmlich», sagte das Rothaarige, und das Dicke steckte drohend seinen Finger durch das Gitter und sagte: «Halt’s Maul, du kleine Schlampe. Du machst hier nichts als Ärger!» Dann lächelte es mich total schleimig an und meinte: «Sie hat auch mit dem Singen angefangen. Ich hab ihnen gesagt, dass sie es lassen sollen, aber sie haben es trotzdem getan.»
«Du verdammter Arschkriecher!», schrie das Rothaarige. «Hast du überhaupt keinen Mumm?», und das alte Weib meinte: «Verfluchte Petze», aber ziemlich leise, als wollte es eigentlich nicht gehört werden. Das Dicke rief: «Halt’s Maul, ich will wegen dir keine Probleme kriegen», und das Rothaarige rief zurück: «Du hast schon Probleme, du dämliches Arschloch, oder was ist das hier für dich?», und schwenkte irgendwie seinen Arm durch den Keller. «Ach, leck mich», meinte das Dicke und hielt dann den Mund, weil ich es mit einem Eimer kaltem Wasser überschüttet hatte.
Ich weiß nicht, warum ich es über das Dicke geschüttet hatte. Eigentlich war das Rothaarige der Störenfried. Aber wahrscheinlich habe ich mich immer noch ein bisschen schlecht gefühlt, weil ich ihm am vergangenen Tag wehgetan hatte. Außerdem verdiente das Dicke eine Strafe. Man sah, dass es total überrascht war, auch wenn es nichts sagen konnte, denn es rang nach Atem, weil das Wasser so kalt war.
«Es wird nicht geflucht», sagte ich und versuchte, völlig cool und clever zu wirken. Ich glaube, es hat funktioniert,denn keiner von ihnen sagte etwas, nicht einmal das Rothaarige. Ich wurde wieder ruhiger und selbstsicherer.
«Ihr seid alle unartig gewesen», sagte ich ganz streng. «Deshalb werde ich euch dressieren müssen.»
Kapitel 18
D a ich sie nicht aus den Abteilen lassen konnte, machte ich keine richtige Dressur wie bei Hunden. Aber die Hauptsache ist, sie so abzurichten, dass sie machen, was ich ihnen sage, und dafür habe ich ein paar gute Methoden. Ich versuche mir die ganze Zeit neue auszudenken, damit es nicht langweilig wird, und ich war echt zufrieden mit mir, denn während sie sich gestritten hatten, war mir gerade etwas Neues eingefallen.
Die Idee war mir gekommen, als ich sie beim Tanzen erwischt und gesehen hatte, wie sie erstarrt dastanden. Das hatte mich an ein Spiel aus meiner Kindheit erinnert. Es wurde Salzsäule genannt. Dabei steht einer mit dem Rücken zu den anderen, die alle auf ihn zugehen, bis er herumwirbelt. Und dann muss man sofort stehen bleiben, damit er einen nicht dabei erwischt, wie man sich bewegt. Wenn man mit einem Fuß in der Luft erstarrte oder so, war es echt schwer, nicht zu wackeln, aber wenn man wackelte und er einen sah, war man raus. Gewonnen hatte derjenige, der entweder zuerst seinen Rücken berührte oder als Letzter übrig blieb.
Obwohl ich nie gewonnen habe, war es ein gutes Spiel. Besonders wenn man derjenige war, der vor den anderensteht, denn dann müssen die anderen machen, was man sagt. Ich war allerdings nie derjenige, der vorne steht. Einmal wäre ich es fast gewesen, weil ich eigentlich an der Reihe war, aber ein Mädchen sagte, sie wäre an der Reihe, und die Lehrerin glaubte ihr. Danach kam ich nie mehr dran. Sie hieß Sharon Fairweather. Das Mädchen, nicht die Lehrerin. Die hieß Miss Ross. Sie schrie die ganze Zeit, selbst wenn wir spielten, und deswegen sagte ich nicht viel, als Sharon Fairweather an die Reihe kam und nicht ich. Ich wäre nur angeschrien worden. Sharon Fairweather war eine der Lieblinge der Lehrerin, denn sie wusste immer, wie viel von einem Eisberg unter Wasser ist und wie diese komischen kleinen Dinger in der Mitte von Blumen heißen und so weiter. Außerdem konnte sie gut malen. Einmal hat sie ein echt tolles Bild von einem Drachen gemacht. Die Lehrerin hat es aufgehängt, und ich versuchte auch eins zu malen, aber es sah nicht so gut aus. Ich kriegte die Beine nicht richtig hin und das Feuer auch nicht. Sharon Fairweather war total klug, und jeder mochte sie. Ich auch, obwohl das Einzige, was sie jemals zu mir gesagt hat, «Iss nicht mit offenem Mund» war.
Aber jetzt gab es keine Sharon Fairweather, die sich vordrängelte. Ich konnte Salzsäule so oft spielen, wie ich will. Ich ging nach oben und suchte in der Kommode nach den Kassetten. Mein Papa hatte nie eine Jukebox. Er sagte, es
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