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Tiere

Tiere

Titel: Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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ist sein Pub, und er will nur Musik hören, wenn er Lust darauf hat. Wenn er das meiner Mama sagte, meinte sie immer: «Anscheinend hast du oft Lust darauf, denn es läuft ständig eine Kassette», und er zwinkerte und sagte: «Das liegt daran, dass ich so einen guten Geschmack habe und weiß, was die Gäste hören wollen.»
    Ich muss einen schlechten Geschmack haben, denn die meisten Kassetten von meinem Papa gefallen mir nicht. Aber manche sind ganz gut, wie die von Elvis Presley. Dass sie kaputt war, tat mir leid, doch es gab noch eine Menge anderer. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich die von Val Doonican oder die von Frankie Lane nehmen soll. Schließlich entschied ich mich für Frankie Lane, denn er singt so eine Art Cowboylieder, die flotter sind und zu denen man besser tanzen kann als zu Val Doonican.
    Ich ging damit in den Keller und steckte sie in den Radiorecorder. Sie schauten mich alle an und warteten gespannt darauf, was ich vorhabe. Manchmal macht es mich ein bisschen verlegen, wenn ich weiß, dass sie darauf warten, was ich von ihnen will. Aber es ist auch ein schönes Gefühl.
    «Ihr sollt tanzen», sagte ich ihnen. «Wenn die Musik spielt, müsst ihr tanzen, und wenn sie aufhört, müsst ihr auch aufhören. Wer sich bewegt, ist raus.»
    «Raus?», meinte das Rothaarige. «Was soll das bedeuten? Raus hier, oder was?»
    «Raus aus dem Spiel», sagte ich. Ich wusste, dass es ihnen ein bisschen gemein vorkommen musste, aber da würde ich einfach darüberstehen. Als Kind hat mir meine Mama immer gesagt, dass ich das tun soll, wenn jemand etwas Böses gemacht oder gesagt hat. Ich glaube jedoch, das Rothaarige wusste nicht, dass ich darüberstehe, denn es zeterte: «Oooh, das ist ja echt furchtbar, was? Du meinst, wenn wir dein dämliches kleines Spielchen nicht mitmachen, dürfen wir es nicht mehr spielen? Das macht mir echt Angst!»
    Das alte Weib meinte: «Vorsichtig, Schätzchen», was mich überraschte, denn es war nun schon das zweite Mal, dass es gesprochen hat. Aber das Rothaarige meinte: «Warum? Waswill er denn machen? Was kann denn noch schlimmer werden, verdammte Scheiße?»
    Es redete jetzt richtig laut und schaute die anderen an, und die waren alle still und hörten ihm zu. Da es den ganzen Spaß verdarb, sagte ich: «Halt jetzt den Mund», aber es starrte mich nur an und zeterte: «Warum? Was willst du machen, wenn ich den Mund nicht halte? Darf ich dann nicht mitspielen?»
    Mir begann zu dämmern, dass es vielleicht gar nicht mitspielen wollte, und da ich mir nicht sicher war, wie ich es dazu bringen konnte, sagte ich nichts mehr. Ich wendete mich nur ab und sagte zu den anderen: «Der Gewinner bekommt eine Extraportion Futter.» Ich dachte, das würde es etwas spannender machen. Ich hörte das Rothaarige hinter mir sagen: «Wow», achtete aber nicht darauf. «Fertig?», sagte ich und drückte den Startknopf.
    Ein richtig gutes Lied ertönte, mit Peitschenknallen und so. Ich dachte, sie würden alle anfangen zu tanzen, aber sie rührten sich nicht. Sie sahen ein bisschen unsicher aus und schauten sich gegenseitig an, als würden alle darauf warten, dass ein anderes anfängt. Das Dicke begann, ein bisschen auf und ab zu hüpfen, hörte aber wieder auf, als es sah, dass die anderen nicht mitmachten. Ich rief: «Ihr sollt tanzen», und drehte die Lautstärke auf, damit sie loslegen, aber es funktionierte nicht. Sie standen alle nur da.
    Ich wartete noch ein bisschen und machte dann die Musik aus. «Ihr sollt tanzen!», sagte ich richtig streng, und das Rothaarige sagte: «Warum sollten wir?»
    Ich wurde ein bisschen nervös, um ehrlich zu sein. So hatten sie sich noch nie benommen. Ich begann schon zu bereuen, dass ich mit der Dressur angefangen hatte. Amliebsten wäre ich hochgegangen und hätte Fernsehen geguckt, aber ich wusste, dass sie dann den Respekt vor mir verlieren würden. Also drehte ich mich um und sagte: «Weil ich es will.» Das Rothaarige lachte nur ziemlich fies, genauso wie früher die Kinder in der Schule, wenn ich etwas falsch gemacht hatte.
    «Warum? Was willst du machen, wenn wir nicht tanzen?», meinte es. «Na los, sag schon.» Ich überlegte, was ich sagen soll, aber mir fiel nichts ein. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Dann sagte das Schwarze: «Mach ihn nicht verrückt», und plötzlich schlug das Rothaarige gegen das Gitter seines Abteils. Ich zuckte zusammen.
    «Ich soll ihn nicht verrückt machen?», rief es. «Er ist verrückt, verdammte Scheiße.

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