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Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hätte am liebsten gefragt, wie er das meinte, schlug dann aber vor, sie sollten sich an die riva setzen, wo sie den Booten zusehen und in Ruhe reden konnten.
    Als sie in der warmen Frühlingssonne auf der Bank saßen, gab Brunetti ihm die Mappe mit den Fotos. »Hat Pucetti dir das schon gezeigt?«
    Vianello nickte und sah sich die Aufnahme an. »Verstehe, was du mit dem Hals meinst«, sagte er und reichte ihm die Mappe zurück; dann kam er noch einmal auf ihr voriges Thema: »Was meinst du, was führt Scarpa wirklich im Schilde?«
    Brunetti hob achselzuckend die Hände: Wer konnte das wissen? »Vielleicht versucht er lediglich, einem beliebten Kollegen ein Bein zu stellen, aber bei Leuten wie Scarpa weiß man nie wirklich, woran man ist.« Er holte weiter aus: »Paola hält dieses Jahr ein Seminar über Kurzgeschichten; in einer davon gibt es einen Schurken – er wird nur der ›Sonderling‹ genannt; er löscht eine ganze Familie aus, sogar die alte Großmutter, sitzt dann ruhig da und sagt: ›Es gibt doch kein größeres Vergnügen als die Niedertracht.‹« Wie zur Bestätigung dieser Aussage begannen zwei Möwen weiter hinten an der riva zu streiten und zerrten kreischend und wild flatternd an etwas herum.
    »Als Paola mir das vorlas«, fuhr Brunetti fort, »musste ich sofort an Scarpa denken. Es macht ihm einfach Spaß, gemein zu sein.«
    »Du meinst wirklich, es macht ihm Spaß ?«, fragte Vianello.
    Brunetti wurde einer Antwort enthoben, denn in diesem Augenblick erschien von links ein riesiges Kreuzfahrtschiff – hatte es acht Decks? Neun? Zehn? Lammfromm folgte es einem tapferen Schlepper, nur dass die Trosse zwischen ihnen schlaff ins Wasser hing und damit deutlich war, wessen Motoren die Arbeit leisteten und welches Boot hier das Sagen hatte. Was für ein treffendes Symbol, dachte Brunetti: Die Regierung zieht die Mafia in den Hafen, um sie abzuwracken und stillzulegen, aber ihr Schiff, das dem Anschein nach die Arbeit verrichtet, besitzt den weitaus kleineren Motor, und das andere kann jederzeit die Trosse spannen und sie an die wahren Machtverhältnisse erinnern.
    Als die Schiffe vorbeigefahren waren, fragte Vianello: »Nun?«
    »Ja, ich denke, es macht ihm Spaß«, sagte Brunetti schließlich. »Manche Leute sind einfach so. Keine Besessenheit, kein Satan, keine unglückliche Kindheit, keine chemische Störung im Gehirn. Für manche Leute gibt es kein größeres Vergnügen, als gemein zu sein.«
    »Und deswegen tun sie es immer wieder?«, fragte Vianello.
    »Sieht ganz danach aus, oder?«, sagte Brunetti.
    »Gesù«, flüsterte Vianello. Er sah zu den zankenden Möwen hin und sagte: »Ich wollte das nie glauben.«
    »Es fällt ja auch schwer.«
    »Und wir haben ihn am Hals?«, fragte Vianello.
    »Bis er zu weit geht oder unachtsam wird.«
    »Und dann?«
    »Dann können wir ihn loswerden«, sagte Brunetti.
    »Bei dir klingt das ganz einfach.«
    »Könnte es auch sein.«
    »Na, hoffentlich«, sagte Vianello so inständig, wie andere Leute ein Gebet vorbringen.
    »Aber dieser Mann – ich verstehe immer noch nicht, warum niemand ihn als vermisst gemeldet hat. Die Leute haben doch Familie, Herrgott noch mal.«
    »Vielleicht ist es noch zu früh«, meinte Vianello.
    Brunetti bemerkte wenig überzeugt: »Das Foto kommt morgen in die Zeitungen. Mit etwas Glück erkennt ihn jemand und ruft uns an.« Er glaubte zwar nicht recht daran, aber meinte noch: »Auf Pucettis Foto könnte schon jemand reagieren.«
    »Und bis dahin?«, fragte der Ispettore.
    Brunetti nahm die Mappe, klappte sie zu und stand auf. »Gehen wir Schuhe einkaufen.«
    Der Fratelli-Moretti-Laden in Venedig befand sich unweit des Campo San Luca. Brunetti hatte die Schuhe dort schon immer bewundert, aber aus irgendeinem Grund noch nie welche gekauft. Was nicht so sehr an den Preisen lag – alles in Venedig war teuer geworden –, sondern vielmehr… Brunetti musste sich eingestehen, dass es tatsächlich überhaupt keinen Grund dafür gab: Er hatte den Laden einfach nie betreten; warum auch immer. Ein Grund mehr, nun gleich mit Vianello dort hinzugehen. Draußen blieben sie erst einmal stehen und sahen sich die Herrenschuhe im Schaufenster an. »Die gefallen mir«, sagte Brunetti und zeigte auf ein Paar dunkelbraune Loafer mit Ziersenkeln.
    »Wenn du die kaufst«, sagte Vianello, nachdem er die Qualität des Leders gewürdigt hatte, »und es dir später mal schlecht geht, kannst du sie kochen und von der Bouillon ein paar Tage leben.«
    »Sehr

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