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Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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und das Gelb als Fettschichten identifizierte. Er und Vianello hatten sich so auf Bianchis Führung verlassen, dass sie ihm blindlings mitten in die dicht an dicht hängenden Rinder, Schweine und Schafe gefolgt waren: kopflose Hälften von Tieren, die man nur der Größe nach unterscheiden konnte – aber wie unterschied man ein großes Schaf von einem kleinen Kalb? Nichts als Rot und Gelb mit weißen Streifen dazwischen.
    Vianello kapitulierte als Erster. Gleichgültig gegenüber dem, was Bianchi oder sonst wer von ihm halten mochte, schob er sich an Brunetti vorbei und taumelte wie betrunken zur Tür zurück. Vergebens versuchte er sie aufzudrücken, schlug zweimal mit der Faust dagegen und gab ihr einen Tritt. Der Schlachter schälte sich aus dem Dickicht von Kadavern, zog an einem Griff, den Vianello in dem Dämmerlicht übersehen hatte, und die Tür schwang auf. Brunetti sah Vianello in den helleren Raum entschwinden, eine Hand vor sich hingestreckt, als sei er darauf gefasst, weiche Knie zu bekommen und sich am Geländer festhalten zu müssen.
    Betont langsam und den Blick auf Vianellos Rücken geheftet, ging Brunetti durch die Tür, ohne auf Bianchi zu warten. Während er auf das andere Ende des Gitterrosts zuschritt, summte er wie vorhin Vianello vor sich hin und bemerkte, dass er damit zumindest ein wenig von dem Lärm ausblenden konnte, der noch immer von unten heraufdrang. Neben ihm, in Schulterhöhe, tauchte etwas auf und schien mit ihm Schritt zu halten. Brunetti stockte kurz, ging dann aber weiter, den Blick stur geradeaus, und widerstand der Versuchung, sich nach dem umzudrehen, was da neben ihm herschwebte.
    Vianello hockte wie ein Häuflein Elend im Umkleideraum; einen Ärmel des Schutzanzugs hatte er abgestreift, den anderen hatte er vergessen oder nicht freibekommen. Auf Brunetti wirkte er wie ein besiegter Held der Ilias, seine Rüstung halb zerfetzt, der Feind drauf und dran, ihm den Rest zu geben. Brunetti setzte sich neben ihn, sank nach vorn, legte die Unterarme auf den Schenkeln ab und starrte auf seine Schuhe. Wer die beiden sah, hätte sie für zwei alternde, merkwürdig bekleidete Gladiatoren gehalten, die vom Kampf erschöpft auf den Schiedsrichter warteten, der ihnen sagen würde, wie sie sich geschlagen hatten.
    Aber Bianchi ließ sich nicht blicken. Brunetti bückte sich, zog die Plastikhüllen von seinen Schuhen und kickte sie fort, dann stieß er sich hoch und fummelte am Reißverschluss seines Schutzanzugs. Er bekam die Arme frei, schob das Ding bis unter die Knie runter und setzte sich wieder, um es über die Schuhe zu zerren. Da er sonst nichts zu tun hatte, unternahm er einen halbherzigen Versuch, den zerknüllten Anzug zu falten, warf ihn dann aber einfach neben sich auf die Bank.
    Mit einem Blick auf Vianello stellte er fest, dass der sich nicht gerührt hatte. »Komm schon, Lorenzo. Der Fahrer wartet.«
    Mit langsamen Bewegungen, wie im Schlaf oder unter Wasser, zog Vianello den anderen Arm heraus und stemmte sich mit beiden Händen in die Senkrechte. Als er den Anzug abstreifen wollte, übersah er, dass er den Reißverschluss nicht ganz aufgezogen hatte, und konnte zerren wie er wollte, er bekam ihn nicht über die Hüften.
    »Der Reißverschluss, Lorenzo«, sagte Brunetti, blieb aber untätig sitzen. Vianello begriff. Dann setzte er sich, zog die Schuhe aus, streifte den Anzug über die Füße und wollte die Schuhe wieder anziehen. Er stutzte verwirrt, erkannte dann aber, dass er erst die Schutzhüllen von den Schuhen entfernen musste, bevor er die Schuhe anziehen konnte, und wurde rasch fertig. Wie Brunetti knüllte er seinen Anzug zusammen und warf ihn neben sich auf die Bank.
    »Bene«, sagte Vianello. »Andemo.«
    Bianchi und Signorina Borelli blieben verschwunden. Die beiden gingen zum Eingang zurück. Im Freien empfing sie die Sonne, wärmte ihnen Kopf und Hände und Füße mit einer Großzügigkeit und Güte, die Brunetti an alte Darstellungen erinnerte, wie Echnaton von Aton, dem Sonnengott, mit Licht übergossen wird. Da standen sie, stumm wie ägyptische Statuen, und ließen sich von der Sonne wärmen und den entsetzlichen Gestank aus der Kleidung spülen.
    Gleich darauf fuhr das Auto vor; beide hatten es nicht kommen hören, so sehr waren ihre Ohren noch auf das eben vernommene Getöse eingestellt.
    Der Fahrer ließ das Fenster aufgleiten und rief: »Sind Sie hier fertig?«

20

    Diesmal nahmen sie beide auf der Rückbank Platz. Auch wenn es nicht gerade warm war,

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