Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Mantovani 17.«
»War jemand bei Ihnen?«
»Nein.«
»Können Sie mir sagen, was Sie am Sonntagabend getan haben?«
Sie sah ihn an, dann zum Fenster, um sich besser zu konzentrieren. »Ich war im Kino, in der Frühvorstellung.«
»Welcher Film, Signorina?«
» Città aperta. Der lief im Rahmen einer Rossellini-Retrospektive.«
»Waren Sie in Begleitung?«, fragte Brunetti.
»Ja. Maria Costantini war mit. Eine Nachbarin.«
»Und anschließend?«
»Bin ich nach Hause gegangen.«
»Mit Signora Costantini?«
»Nein. Maria war bei ihrer Schwester zum Essen eingeladen, also bin ich allein nach Hause gegangen. Ich habe etwas gegessen, dann ferngesehen und mich früh zu Bett gelegt. Schließlich muss ich um sechs zur Arbeit.«
»Hat jemand an diesem Abend angerufen?«
Sie überlegte. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Könnten Sie mir eine Vorstellung davon vermitteln, was Sie in dem macello in Preganziol zu tun haben?«, fragte Brunetti, als habe er von ihren Aktivitäten am Sonntagabend genug gehört.
»Ich bin Dottor Papettis Assistentin.«
»Und Ihre Aufgaben, Signorina?«
Man hörte Vianello eine Seite umblättern.
»Ich erstelle den Zeitplan für die Arbeiter, die Schlachter und die Putzkolonne; ich erfasse täglich die Zahl der angelieferten Tiere und die produzierte Fleischmenge; ich halte die Bauern über die Vorschriften aus Brüssel auf dem Laufenden.«
»Was sind das für Vorschriften?«, fragte Brunetti dazwischen.
»Da geht es um Schlachtmethoden und den Transport der Tiere, wo und wie sie zu halten sind, wenn sie einen Tag oder länger auf die Schlachtung warten müssen.« Sie sah ihn an und legte den Kopf fragend zur Seite, ob dies genüge.
»Ein Detail zu den Preisen, Signorina: Wer legt fest, was für ein Kilo einer bestimmten Fleischsorte zu zahlen ist?«
»Der Markt«, antwortete sie. »Der Markt und die Jahreszeit und die jeweils vorhandene Angebotsmenge.«
»Und die Qualität?«
»Wie bitte?«, fragte sie.
»Die Qualität des Fleischs, Signorina«, sagte Brunetti. »Ob ein Tier gesund ist und geschlachtet werden kann. Wer bestimmt das?«
»Der Tierarzt«, sagte sie, »nicht ich.«
»Und wie beurteilt er den Gesundheitszustand eines Tieres?«, fragte Brunetti, während Vianello wieder eine Seite umblätterte.
»Dafür hat er ja wohl studiert«, sagte sie spitz, und Brunetti erkannte, dass er kurz davor war, sie aus der Reserve zu locken.
»Er sortiert also kranke Tiere aus, die nicht geschlachtet werden dürfen?«
»Das will ich doch hoffen«, sagte sie mit solch großem Nachdruck, dass es nicht nur für Brunetti, sondern wohl auch für sie selbst nicht überzeugend klang.
»Was geschieht, wenn er ein Tier aussondert, das er für ungeeignet hält?«
»Sie meinen, wenn es nicht gesund genug ist?«, fragte sie.
»Ja.«
»Dann wird das Tier dem Bauern zurückgegeben, der es gebracht hat, und der hat dann für die Beseitigung zu sorgen.«
»Könnten Sie das genauer erklären?«
»Das Tier muss geschlachtet und vernichtet werden.«
»Vernichtet?«
»Verbrannt.«
»Was kostet das?«
»Ich habe keine…«, fing sie an, merkte aber selbst, wie unglaubhaft sich das ausnehmen würde, und wechselte mitten im Satz die Richtung: »…Möglichkeit, Ihnen dafür einen bestimmten Preis zu nennen, weil es dabei auf das Gewicht des Tieres ankommt.«
»Aber man kann davon ausgehen, dass es keine Kleinigkeit kostet?«, fragte er.
»Anzunehmen«, stimmte sie zu, und dann widerstrebend: »Um die vierhundert Euro.«
»Demnach haben die Bauern ein Interesse daran, nur gesunde Tiere in den Schlachthof zu bringen?«, fragte Brunetti, obwohl dies eigentlich keine Frage war.
»Ja. Natürlich.«
»Dottor Andrea Nava war in dem macello als Tierarzt beschäftigt«, fing Brunetti an.
»Ist das eine Frage?«, unterbrach sie.
»Nein, eine Feststellung«, sagte Brunetti. »Die Frage ist, in welcher Beziehung Sie zu ihm gestanden haben.«
Sie schien nicht im Geringsten überrascht, dennoch zögerte sie mit der Antwort. »Er war genau wie ich im macello beschäftigt, also könnte man sagen, dass wir Kollegen waren.«
Brunetti faltete bedächtig die Hände und legte sie vor sich auf den Tisch, eine Geste, die er von seinen Professoren kannte, wenn sie mit der Antwort eines Studenten nicht zufrieden waren. Er erinnerte sich auch an die Methode, lange Schweigepausen einzulegen, die sich bei besonders unsicheren Studenten nahezu jedes Mal als erfolgreich erwiesen hatte. Sein Blick wanderte von
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