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Tierische und andere Offerten

Tierische und andere Offerten

Titel: Tierische und andere Offerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Stecher , andere
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ihres Lebensgefährten und Teilhabers Jochen. Eine Göre im besten Teenageralter, die es faustdick hinter den Ohren hatte – Ladendiebstahl. Vom Gericht zu vierwöchiger allgemeinnütziger Arbeit verurteilt. Jochen hatte erreicht, dass Franzi, wie er sie liebevoll nannte, diese hier ableisten durfte, auf dem Hof und unter seiner Aufsicht.
    Er war das ganze Gegenteil von Anneliese – lang, dürr, voll versteckter Ironie und die Ruhe in Person. Er hatte entschieden, ohne sie zu fragen. Das häusliche Gewitter tobte tagelang. Bis Jochen mit einem Verwöhndinner im Kerzenschein die Wogen wieder glätten konnte. Das Mädchen gab sich alle Mühe. Immer freundlich, immer hilfsbereit. Der Stallmeister, bei dem sie arbeitete, war voll des Lobes. Eigentlich entwickelte sich alles zur vollsten Zufriedenheit, aber Anneliese wurde das Misstrauen nicht los. Und die folgenden Ereignisse schienen der Frau Recht zu geben.
    Ein paar Tage später, am Vormittag, erschien der Stallmeister im Büro. Verlegen berichtete er von seiner Entdeckung. Elf Hafersäcke fehlten, von denen mit fünf Kilo Inhalt, die neben der Heubox gestapelt waren. – Verdacht? Ratlos zuckte der Mann mit den Schultern. Ihm wurde bedeutet, vorerst den Mund zu halten und aufmerksam zu beobachten.
    Nachdem er gegangen war, schaute Anneliese Jochen von unten her an. Der roch den Braten. –Franzi? Jochen zeigte ihr einen Vogel. Ob sie der Hafer steche. Immer schön die Kirche im Dorf lassen. Was sollte die Kleine mit dem Hafer? So habe sie das nicht gemeint. – Verdammt, warum log sie? Trotzig gestand Anneliese den Verdacht ein. Ein handfester Krach schien sich anzubahnen.
    Dazu kam es aber nicht, weil Jochen mit der Faust auf den Tisch haute und erklärte, nachts im Stall zu wachen, bis der Dieb gestellt wäre.
    »Wir beide wachen«, lenkte Anneliese ein. »Eine Nacht du, die andere ich.«
    Gesagt getan.
    Nach dem Abendbrot rüstete sich Jochen aus. Eine große Thermoskanne mit starkem Kaffee. Ein Stullen- und Wurstpaket gehörte dazu. Das Versteck befand sich zwischen den Strohballen, mit ungehinderter Sicht auf den Mittelgang und den Stapel Hafersäcke. Jochen legte die Heuforke noch bereit und machte es sich bequem. Im Mittelgang brannte Licht. Das reichte, um alles auszuleuchten. Außer ihm befand sich nur noch die Stute Windsbraut mit ihrem schon stattlichen Fohlen im Gebäude. Die anderen Pferde blieben jetzt im Sommer auch nachts auf der Koppel. Die Stute lahmte und war zur Genesung in ihrer Box. Er hörte sie leise schnauben.
    Langsam verrannen die Stunden. Auf dem Reiterhof wurde es still. Die Schläge der Kirchturmuhr verkündeten die Zeit. Nichts geschah. Mitternacht war schon vorüber. Verbissen kämpfte Jochen mit der Müdigkeit. Schließlich stand Franzis Ehre auf dem Spiel und die seine.
    Zwischen drei und vier Uhr ließ ihn ein scharrendes Geräusch aufmerken. – Jetzt! Es kam von der Box der Stute. Was war das? Er traute seinen Augen nicht. Die Box war mit Stangen abgesperrt, die unterste etwa einen Meter über dem Boden. Darunter kroch das Fohlen durch. Zielstrebig auf den Stapel Hafersäcke. Einen zerrte es herunter und trug ihn zur Box, wo die Stute leise freudig wieherte. Dann hörte Jochen nur noch das Reißen von Sackgewebe und das Mahlen von Pferdekiefern. Er musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Diese Schlawiner! Das glaubt Anneliese nie. Hundemüde doch erleichtert ließ sich Jochen in das Stroh sinken. – Der Schlaf übermannte ihn.
    Zwei Stunden später betrat Anneliese den Stall. Wo war Jochen? Aus Richtung der Strohballen klang lautes Schnarchen. Empört stemmte sie ihre Fäuste in die Seiten und stiefelte auf die eindeutige Geräuschquelle zu.
    »Wächter nennt sich so etwas«, flüsterte sie, kam an der Pferdebox vorbei und hatte den Eindruck als würde die Stute sie angrinsen. Quatsch, pure Einbildung, dachte sie und sah Jochen, der den Zerknirschten mimte. Mit Mühe konnte er sich das Grinsen verbeißen, nahm aber die Standpauke demütig hin.
    Jetzt war Anneliese an der Reihe. Allen wollte sie es zeigen. Wieder verrannen die Stunden langsam und wieder geschah lange nichts. Der quälende Kampf gegen die Müdigkeit siegte, ihr fielen die Augen zu. Nur Sekunden später, ein scharrendes Geräusch. Sie griff nach der Forke und sah über den Versteckrand. Das gab es doch nicht. Der Dieb hatte vier Beine. Noch völlig baff schlich Anneliese ins Wohnhaus. Da saß Jochen und lachte übers ganze Gesicht. Ihr wurde plötzlich

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